Die Wannseebahn


Zwischen der schon seit 1838 existierenden Stammbahn in Zehlendorf und dem damaligen Wannensee mit der Colonie Alsen lag um 1870 nichts als Wald. Langsam begann man in diesem Gebiet mit der Anlage von Siedlungen. Die Grundstückseigner, die teilweise auch gleichzeitig auf wichtigen Posten bei der Bahn saßen, erhofften sich durch den Bau einer Eisenbahn in diesem Gebiet einen weiteren Aufschwung.

Um 1872 begann man dann mit dem Bau der "alten" Wannseebahn. Die Strecke mit 11,69 Kilometer Länge zweigte in Zehlendorf von der Stammbahn ab, führte in einem Bogen durch großflächige Waldgebiete und mündete bei Kohlhasenbrück wieder in die Stammbahn. Am 1. Juni 1874 wurde die Strecke, die gleich zweigleisig ausgebaut worden war, als erste reine Vorortbahn in Berlin eröffnet. Bahnhöfe bekam die Strecke in Schlachtensee und Wannensee sowie am Treffpunkt mit der Stammbahn den Bahnhof Neubabelsberg (heute Griebnitzsee).

Bild: Empfangsgebäude Wannsee

Start- bzw. Endpunkt der Wannseebahn ist natürlich der Bahnhof Wannsee. In den Jahren 1927/28 erschuf Richard Brademann ein neues Empfangsgebäude (undatiert).

Nachdem die Stammbahn in Steglitz um 1884/88 hochgelegt wurde, begann man um 1887 zwischen dem Potsdamer Bahnhof in Berlin und Zehlendorf mit dem viergleisigen Ausbau dieser Strecke. Zum 1. Oktober 1891 wurde die "neue" Wannseebahn auf dem zweiten Gleispaar neben der Stammbahn eröffnet. Gleichzeitig erhielt sie einen eigenen Bahnhof am Potsdamer Bahnhof in Berlin, den Wannseebahnhof. Das Gleispaar, sowie zwei Überleitungsgleise von der Fernbahn, führten in Zehlendorf auf das Gleispaar der "alten" Wannseebahn. Bei Neubabelsberg wurde die Strecke gleich auf zwei neu gebaute Gleise, unabhängig von der Stammbahn, nach Potsdam geleitet. Pünktlich zum Eröffnungstermin wurde der Vororttarif bis Werder eingeführt.

Ab 1895 führte die gute Auslastung zu einem Fünf-Minutentakt in der Hauptverkehrszeit der ansonsten im zehnminütigen Takt verkehrenden Vorortbahn.
Vom 13. Juli 1900 bis zum 1. Juli 1902 kam es zwischen Berlin und Zehlendorf zu einem ersten elektrischen Versuchsbetrieb mit 750 Volt Gleichstrom und von oben bestrichener Stromschiene, im Mischbetrieb mit den Dampfzügen.

Bild: Bahnsteigansicht Zehlendorf

Fünf Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges läuft das "normale" Leben wieder in geordneten Bahnen.
Links das elektrifizierte S-Bahngleis der Stammbahn (1950).

1903 führte man eine besondere Zuggruppe (später Bankierzüge genannt) ein, die von Berlin bis Zehlendorf ohne Halt durchfuhren und erst ab dort hielten. Diese Züge führten auf der Wannseebahn, im ersten Abschnitt bis Zehlendorf, zu Behinderungen. Deswegen wurden die Züge ab 1907 bis Zehlendorf auf die Ferngleise geleitet und dort über die Überleitungsgleise auf die Vorortstrecke. Zwischen 1911 und 1912 wurde das alte Überführungsgleis von Wannsee nach Zehlendorf durch eine kreuzungsfreie Überführung ersetzt.

Die elektrische S-Bahn kam in Wannsee am 11. Juni 1928 über die Wetzlarer Bahn mit der Strecke über die Stadtbahn aus Erkner das erste Mal an. Die Wannseebahn hingegen wurde weiterhin mit Dampfzügen befahren. Erst ab 15. Mai 1933 wurde die 18,61 Kilometer lange Strecke mit 800 Volt Gleichstrom elektrifiziert. Auch die Ferngleise der Stammbahn erhielten zwischen den Berlin/Potsdamer Fernbahnhof und Zehlendorf auf 12,06 Kilometer von unten bestrichene Stromschienen, zur Nutzung durch die Bankierzüge der S-Bahn.

Damit die Wannseebahn ab 9. Oktober 1939 in den inzwischen eröffneten Nordsüd-S-Bahntunnel geleitet werden konnte, mussten die westlich der Stammbahn geführten Vorortgleise nördlich des Bahnhof Schöneberg auf die östliche Seite geleitet werden. Dazu baute man unter die Fernbahngleise hindurch den so genannten kleinen Wannseebahntunnel. Am alten Streckenkilometer 3,3 beginnt seitdem die Wannseebahn. Gleichzeitig ist das der Endpunkt für die Nordsüd-S-Bahn (km 7,67). Danach konnte der Wannseebahnhof geschlossen werden. So entstand die traditionelle Verbindung Wannsee-Oranienburg, die heutige S1.

Bild: Empfangsgebäude Schlachtensee

Verwunschener Ort: Das Empfangsgebäude Schlachtensee von den Gleisen aus gesehen (1984).

Aufgrund der Pläne zur Umgestaltung Berlins in die Welthauptstadt Germania sollte die Wannseebahn mit sechs und mehr Gleisen, unter anderem für eine Fern-S-Bahn, ausgebaut werden. Durch die Rückkehr des Zweiten Weltkrieges an seinen Unrsprungsort kam es nicht mehr zu einer Ausführung. Um den Jahreswechsel 1944/45 kam es zur Einstellung der Bankierzüge und im April 1945 wurde die Wannseebahn als eine der letzten S-Bahnstrecken stillgelegt.

Schon am 6. Juni 1945 fuhr die S-Bahn wieder zwischen Schöneberg und Wannsee. Ab dem 11. Juli 1945 konnte sie wieder zweigleisig von Großgörschenstraße nach Wannsee fahren und ab dem 6. August 1945 mittels einer provisorischen Gleisverbindung über die Ringbahnspitzkehre zum Ringbahnbahnhof, da der Nordsüd-S-Bahntunnel noch immer überflutet war. Ab Juli 1946 konnten die Züge der Wannseebahn wieder in den Tunnel einfahren. Die Strecke bis Birkenwerder/Oranienburg wurde jedoch erst im Jahre 1948 wieder in ihrer Gesamtheit befahren werden.

Der Mauerbau am 13. August 1961 brachte in Wannsee nur Einschränkungen auf der Strecke Erkner - Potsdam. Die Wannseebahn war nur an ihrem nördlichen Ende betroffen, hier wurde jetzt Frohnau der Endbahnhof. Der Reichsbahnerstreik vom September 1980 führte zur Stilllegung der Strecke. Der Bahnhof Wannsee mit seinen Ausflugsmöglichkeiten war jetzt für Fahrgäste nur noch über die Stadtbahnstrecke durch die S-Bahn erreichbar. Ein Gleis blieb für Überführungsfahrten in Betrieb, während die Bahnanlagen an der Strecke verkamen.

Bild: Bahnsteigansicht Schöneberg Vorortbahn

Zwei Jahre nach dem der S-Bahnverkehr nach dem Zweiten Reichsbahnerstreik eingestellt worden ist, sind dem Vorortbahnsteig Schöneberg der Vandalismus und Verfall deutlich anzusehen (Oktober 1982).

Bei der Übertragung der Betriebsrechte an die BVG am 9. Januar 1984 wurden auch die verlängerten Stadtbahngleise von Westkreuz über Grunewald nach Wannsee stillgelegt. Nach Bürgerprotesten ging diese Strecke schon am 1. Mai 1984 wieder in Betrieb.
Im Sommer 1984 begann man mit den Instandsetzungsarbeiten an der Wannseebahn. Dazu wurde am Bahnhof Zehlendorf auf dem ehemaligen Güterbahnhofgleisen ein Materialstützpunkt zur Versorgung der einzelnen Baustellen eingerichtet. Ein Teil der Betonarbeiten wurden im Winter in geheizten Zelten durchgeführt, ohne große Rücksicht auf die Kosten. Schließlich standen im März 1985 Abgeordnetenhauswahlen an und diverse Lokalpolitiker erhofften sich mit diesem schnellen Bauablauf eine Wiederwahl auf ihr warmes Plätzchen.

Am 1. Februar 1985 war es dann soweit: die 18,5 Kilometer lange Strecke zwischen Anhalter Bahnhof und Wannsee wurde als S1 wiedereröffnet. Schon zu diesem Zeitpunkt gab es Planungen für einen neuen Bahnhof an der Kolonnenstraße. Er sollte an gleicher Stelle liegen, wo sich früher der Bahnhof der Ringbahnspitzkehre befand. Erst im Jahre 2008 konnte er realisiert und eröffnet werden. Nach der Wende im November 1989 kam es am 1. Juni 1992 wieder zur historischen Durchbindung der Strecke von Wannsee nach Oranienburg.

Ab 1999 sanierte die Deutsche Bahn die Wannsebahn in mehreren Etappen. Die Gründe hierfür waren nicht nur die teilweise aufgetretenen Baumängel nach der "Schnellsanierung" von 1985, sondern auch eine grundlegende Sanierung des Gleisbettes (Erweiterung des Gleismittenabstandes, Umbau auf Betonschwellen mit einer anschließenden Erhöhung der Streckenhöchstgeschwindigkeit von 80 auf 100 km/h) sowie der Anpassung bzw. Neuinstallation der Signaltechnik. Der Grund für die letzteren Arbeiten war folgender:
Die bis zur Einstellung des S-Bahnverkehres vorhandene Signaltechnik war (Wannsee - Zehlendorf: Sv-Signale System O&K und VES 1937; Zehlendorf - Schöneberg: Formsignale; Bahnhof Feuerbachstraße: Hl-Signale) durch den jahrelangen Vandalismus teilweise irreparabel zerstört worden, auch lagen kaum noch Ersatzteile vor. Bei der in den Jahren 1984/85 durchgeführten Sanierung entschloß sich daher die BVG, die Strecke mit dem Zugsicherungssystem EZS 800 auszurüsten. Da sich das System jedoch noch in der Planungsphase befand, wurde die Strecke mehr oder weniger notdürftig mit einen Signalsystem ausgestattet. Diese Signale, die von SIEMENS aufgestellt wurden, entsprachen der Lichtsignalbauform der Deutschen Bundesbahn, konnten jedoch nur Signalbegriffe der Deutschen Reichsbahn anzeigen (analog Marienfelde und Gbf. Wilmersdorf). Da man perspektivisch später auf das Zugsicherungssystem EZS 800 umrüsten wollte und sich eine teure Signalausrüstung somit nicht gelohnt hätte, stellte man die Signale so auf, daß sie einen 10-Minutentakt gewährleisteten. Diese doch etwas "grobe" Signalaufstellung führte jedoch dazu, daß ein verspäteter Zug seine Unpünktlichkeit auch an die nachfolgenden Züge weitergab. Da das System EZS 800 aufgrund der Entwicklungen nach dem 9. November 1989 nicht weiter verfolgt wurde, bestand dieses betriebliche Manko noch bis zur vollständigen Sanierung der Wannseebahn im Jahre 2002.

Bild: Bahnsteigansicht Nikolassee Wannseebahn

Nach der 2002/2003 erfolgten Sanierung zeigt sich der Bahnhof Nikolassee (Wannseebahn) in neuem Gewand.
Drahtmobiliar, neue Bahnsteigleuchten sowie ein Blindenleitstreifen ergänzen nun die alte Anlage (18. Mai 2004).

Die erneute Sanierung der Wannseebahn erfolgte in mehreren Etappen:

Seitdem präsentiert sich diese S-Bahnstrecke wieder als schnelle Verbindung aus dem Südwesten ins Innere der Stadt - und das ohne Bankierzüge.


Zur Wannseebahn gehören die folgenden Bahnhöfe

Schöneberg (Vorortbahn) Friedenau Feuerbachstraße Rathaus Steglitz
Botanischer Garten Lichterfelde West Sundgauer Straße Zehlendorf
Mexikoplatz Schlachtensee Nikolassee (Wannseebahn) Wannsee (Wannseebahn)

Autoren:
Detlef Hoge, Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998
Baumaßnahmen an der Wannseebahn; Uwe Poppel; Berliner Verkehrsblätter; Heft 2/1985
S-Bahn Berlin - Reiseführer - Geschichte(n) für unterwegs; Bernhard Strowitzki; Verlag GVE; 2002
Berliner S-Bahn; Peter Bley, Verlag alba, 2003
S-Bw Wannsee - Betriebswerkstatt im Grünen; Mario Walinowski; Verlag GVE; 2000
Die elektrische Wannseebahn; Udo Dittfurth/Dr. Michael Braun; Verlag GVE; 2004

weiterführende Links:
Webseite: www.bsisb.de

letzte Änderung:
26. Oktober 2008

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008

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