Der Bau der Siemensbahn


Der Bau der Siemensbahn war ein Gemeinschaftsunternehmen der Deutschen Reichsbahn und der Siemenswerke. Die Planung unterlag Hans C. Hertlein von Siemens sowie Richard Brademann von der Reichsbahn. Die Siemenswerke brachten die Baukosten auf, stellten unter Aufsicht der Reichsbahn in eigener Regie den Bahnkörper her und übereigneten ihn ihr bei Betriebsbeginn gegen Erstattung einer festen Summe, die die Reichsbahn aus den zu erwartenden Betriebsüberschüssen errechnet hatte.

Bild: Lageplan von 1930

Lageplan der Siemenswerke mit Neubaustrecke
Repro aus: Siemens-Jahrbuch 1930.

Die Bauarbeiten begannen im Jahre 1927 und schleppten sich aufgrund der Vielheit der zu berücksichtigten Interessen der verschiedenen staatlichen und städtischen Behörden [1] hin. Nachdem man die Bürokratie hinter sich gelassen hatte, ging es 1928 richtig los. Schon im November 1929 konnten die Arbeiten zum Abschluß gebracht werden.

Die 4 ½ Kilometer lange Strecke begann am Bahnhof Jungfernheide, der für seine neuen Aufgaben umgebaut wurde. Am westlichen Bahnhofskopf mußte nun die Strecke nach Gartenfeld zwischen die vorhandenen Ringbahngleise neu eingefädelt werden. Aus Platzgründen schied ein neuer nördlicherer Bahnsteig aus. Um die Umsteigebeziehungen zur Ringbahn zu gewährleisten, wurde - nach Verlegung des nördlichen Ringbahngleises - der Bahnsteig C am östlichen Bahnhofskopf neu gebaut. Dieser neue Perron lag ungefähr in der Achse des Bahnsteiges B. Das Streckengleis 1 (Beusselstraße - Westend) wurde um einen Gleismittenabstand weiter nördlich verlegt und führte nun am Bahnsteig B vorbei.

Bild: Ostwiderlager

Ringbahnkreuzung: Ostwiderlager fertig, ohne Hinterfüllung.
Repro aus: Siemens-Jahrbuch 1930.

Bis zur Inbetriebnahme der Siemensbahn fuhren auf dem nördlichen Gleis des Bahnsteiges B die Züge in Richtung Westend. Auf dem südlichen Gleis fuhren die Züge in Richtung Beusselstraße/Gesundbrunnen. Aufgrund des nun neuen Bahnsteiges C änderte sich die Betriebsführung wie folgt:
Die Züge der Ringbahn (von Westend kommend) hielten am Bahnsteig B. Die Züge aus Gartenfeld hielten auch am Bahnsteig B, um den Fahrgästen ein Umsteigen zu den Zügen der Ringbahn (Richtung Beusselstraße—Gesundbrunnen) zu ermöglichen. Nach kurzem Halt und ca. 250 Metern Fahrt endete der Zug am Bahnsteig C. Dadurch war der Übergang zur Ringbahn in Richtung Westend ohne Treppensteigen gewährleistet. Somit konnte man bis zum 25. April 1975 innerhalb weniger Sekunden von Jungfernheide nach Jungfernheide fahren.
Einige Züge von Gartenfeld kommend fuhren zu den Zeiten des Berufsverkehres auch über den Bahnhof Jungfernheide hinaus (z.B. ab Winterfahrplan 1956 die Zuggruppe KI Gartenfeld—Warschauer Straße im 40-Minuten-Takt).

Die dampfbetriebenen Vorortzüge von und nach Siemensstadt-Fürstenbrunn verkehrten vom Bahnsteig A. Am 28. August 1951 wurde der Bahnsteig A für den Vorortverkehr geschlossen, gleichzeitig wurde dieser Teilabschnitt der Lehrter Bahn (Jungfernheide—Spandau West) sowie der Bahnsteig A des Bahnhofes Jungfernheide elektrifiziert dem S-Bahnverkehr übergeben. Fuhren die Züge der Zuggruppe N (Nordpol) anfänglich nur bis Jungfernheide, so wurden sie schon einige Monate später bis Grünau bzw. Spindlersfeld durchgebunden.

Zum besseren Verständnis haben wir hier für Sie einen Gleisplan von Jungfernheide hinterlegt.

Mit dem Umbau des Bahnhofes wurde der bis dato einzige westliche Zugang um eine umfangreiche Tunnel- und Treppenanlage ergänzt. Diese Anlage verband die beiden vorhandenen Bahnsteige A und B an ihrem östlichen Ende mit dem Bahnsteig C (an dessen westlichen Bahnsteigende) und schuf gleichzeitig eine Verbindung von der Straße Am Bahnhof Jungfernheide zur Lambertstraße. Der westliche Zugang erhielt einen kleinen Vorbau: dieser nahm das westliche Widerlager der Oberen Spreebrücke auf.

Bild: Tunnelanlage

Bahnhof Jungfernheide: Neue Tunnel- und Treppenanlage des Osteinganges.
Repro aus: Siemens-Jahrbuch 1930.

Bild: Überbau

Ringbahnkreuzung: Überbau.
Repro aus: Siemens-Jahrbuch 1930.

Westlich des Bahnhofes überquerte die neue Strecke auf der 133,4 Meter langen, sogenannten Oberen Spreebrücke zuerst den gleichnamigen Fluß. Auf dem westlichen Ufer befand sich die Weiche für die Verzweigung der Strecken in Richtung Westend und Siemensstadt. Das Ringbahngleis (Richtung Westend) steigt nun an, um anschließend die beiden Gleise der Siemensbahn auf einer eingleisigen Fachwerk-Parallelträgerbrücke (Stützweite 60 Meter) zu überqueren. Dieses Bauwerk stellte sich bei der Herstellung als der schwierigste Bauabschnitt der gesamten Strecke dar. Gründe dafür waren u.a. der zur Verfügung stehende stark begrenzte Raum sowie Probleme aufgrund der hohen Gewichte der Widerlagermassen.
Im weiteren Verlauf schwenkt das Ringbahngleis wieder auf seine alte Trassenführung ein. Die beiden (neuen) Streckengleise der Siemensbahn verlaufen - auf eigenem Damm - weiter in Richtung Nordwesten, um die Spree ein zweites Mal zu überqueren. Dazu dienen ihr zwei zweigleisige Parallelfachwerkträgerbrücken (Stützweiten 52 und 70 Meter), die sogenannte Untere Spreebrücke. Eine anschließende Vorlandbrücke dient der Verbesserung der Sicht für die auf der Spree fahrenden Schiffe.

Bild: Lageplan Ringbahnkreuzung

Ringbahnkreuzung: Lageplan.
Repro aus: Siemens-Jahrbuch 1930.

Bild: Obere Spreebrücke

Obere Spreebrücke: Längsschnitt und Grundriß.
Repro aus: Siemens-Jahrbuch 1930.

zum Bahnhof Jungfernheide


Am Nordufer erreicht die Strecke das Gelände der Siemenswerke - gleichzeitig beginnt die ca. 800 Meter lange, aus eisernen Brücken bestehende, Viaduktstrecke. Innerhalb dieses Abschnitts liegt der Bahnhof Wernerwerk mit einem Inselbahnsteig. Die dafür erforderlichen Bahnsteig- und Gleistragkonstruktionen sind voneinander getrennt ausgeführt und können sich unabhängig gegeneinander verschieben. Insgesamt befinden sich in diesem Abschnitt 71(!) - teilweise ungleichmäßige und schiefe - Einzelbrücken. Man dachte zwar darüber nach, die einzelnen Bauteile konstruktiv bzw. den Streckenverlauf zu vereinfachen, jedoch bedingt durch die Bedeutung der örtlichen Verhältnisse und die daraus zwingende Notwendigkeit, den Bahnhof in der Viaduktstrecke anzulegen, mußte hier die kostenintensivere Bautechnik angewandt werden.

Bild: Südeingang

Bahnhof Wernerwerk: Südeingang.
Repro aus: Siemens-Jahrbuch 1930.

zum Bahnhof Wernerwerk


An der Straße Am Holtzdamm (Straße seit Oktober 1963 nicht mehr vorhanden) erreichte die Strecke wieder den geschütteten Damm. Nach einem Schwenk in Richtung Westen und mehreren Straßenüberquerungen wird der Bahnhof Siemensstadt erreicht. Wie der Bahnhof Wernerwerk liegt auch er auf voneinander getrennten Bahnsteig- und Gleistragkonstruktionen, die auch wieder aufgrund der Krümmung der Bahnachse schief gebaut worden sind. Die Station befindet sich über der Straße Rohrdamm. Unmittelbar nördlich steht das Gleichrichterwerk Siemensstadt, daß die gesamte Strecke mit dem benötigten Fahrstrom versorgt.

Bild: Bahnsteigtragkonstruktion

Bahnhof Siemensstadt: Einbau der Bahnsteigtragkonstruktion innerhalb der Gleistragkonstruktion.
Repro aus: Siemens-Jahrbuch 1930.

zum Bahnhof Siemensstadt


Danach biegt die Strecke nach Nordwesten ab und sinkt allmählich auf Straßenniveau. Ungefähr einen Kilometer vor dem (vorläufigen) Endbahnhof Gartenfeld gehen beide Streckengleise auseinander, um dazwischen eine sechsgleisige Abstellanlage für zwölf Vollzüge aufzunehmen. Kurz danach schließt sich der zweigleisige Endbahnhof Gartenfeld an. Eine eventuelle Verlängerung über die Oberhavel nach Johannesstift und weiter nach Hennigsdorf wurde beim Bau des Endbahnhofes berücksichtigt. Die Überdachung des Bahnsteiges wurde mit Holz aufgebaut, um bei einer späteren Höherlegung des Bahndammes wiederverwendet werden zu können. Das Empfangsgebäude wurde seitlich an die Trasse angepasst, um bei einer eventuellen späteren Verlängerung nicht im Wege zu stehen.

In diesem Empfangsgebäude befand sich eine geräumige Durchgangshalle, in der die Fahrkartenschalter und die Sperrenanlage (Passimeter) untergebracht waren. Hier im Gebäude befand sich neben diversen Diensträumen auch die Wohnung des Bahnhofsvorstehers. Für weitere Beschäftigte baute Siemens an der Gartenfelder Straße ein Wohnhaus. Weitere Wohnungen standen in mehreren Gebäuden an der Voltastraße und am Bödickersteig für die Eisenbahner zur Verfügung. Die Wohngebäude blieben im Besitz der Firma Siemens, während alle sonstigen mit dem Bahnkörper verbundenen Anlagen mit dem Tage der Abnahme in das Eigentum der Reichsbahn übergegangen sind. [2]

Bild: Bahnsteig Gartenfeld

Bahnhof Gartenfeld: Gut erkennbar die Holzpfeiler der Dachkonstruktion (8. April 1983).

zum Bahnhof Gartenfeld



weitere themenbezogenen Seiten auf Stadtschnellbahn-Berlin.de:

Die Geschichte der Siemensbahn
Die Abstellanlage in Gartenfeld
Ein Spaziergang an der Siemensbahn

Zur Siemensbahn gehören die folgenden Bahnhöfe:

Jungfernheide Wernerwerk Siemensstadt Gartenfeld

Autor:
Mike Straschewski

Quellen:
[1] Der Bau der Zweigbahn Jungfernheide-Siemensstadt - Gartenfeld; aus: Siemens Jahrbuch 1930; Dipl.-Ing. A. Prölss, Bauabteilung des Siemenskonzerns
[2] ebenda, Seite 524

weitere Quellen, Buchtipps und Links:
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998
50 Jahre Siemensbahn Jungfernheide - Gartenfeld; Peter Bley; Berliner Verkehrsblätter; Heft 11/1979

weiterführende Links:
www.siemens-stadt.de

letzte Änderung:
26. Oktober 2008

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008

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