Bild: Olympiastadion


telegrafisches Kurzzeichen: BOLS, vormals Ols, auch Rsf, Rbn
eröffnet: 23. Mai 1909 (als Rennbahn) - vorerst nur Sonderverkehre
elektrischer Betrieb seit: 23. August 1928
Zugverkehr eingestellt: 19. September 1980
Zugverkehr wieder aufgenommen: 16. Januar 1998
Station liegt an der Spandauer Vorortbahn

Pichelsberg Heerstraße

Mit der zunehmenden Nachfrage der Reiseverbindungen zwischen Berlin, Spandau und dem havelländischen Umland und der stetig ansteigenden Zahl von Vorortzügen zwischen Charlottenburg und Spandau stellte sich alsbald heraus, daß das zukünftige Verkehrsaufkommen nur durch eine noch neu zu bauende Strecke aufgefangen werden konnte. Die Königliche Eisenbahnverwaltung zu Berlin sah vor, die neue Strecke, die nur dem Vorortverkehr dienen sollte, schon ab der Döberitzer Heerstraße in Richtung Westen abzuleiten und somit auch neue (teilweise noch zu bauende) Wohn- und Freizeitgebiete zu erschließen.
Unter den Nutznießern dieser Bahn war auch der Unionklub, ein Verein für Pferderennen, der im angrenzenden Grunewald eine Pferderennbahn errichten wollte. Damit der Rennbetrieb so schnell wie möglich aufgenommen werden konnte, wurde als erstes der Neubau des Bahnhofes Rennbahn sowie dessen Anbindung an die bestehende Bahnstrecke nahe der Döberitzer Heerstraße vorangetrieben.

Fünf Bahnsteige mit acht Bahnsteigleisen a 200 Meter, je 8,7 Meter breit und 76 cm hoch mündeten in einen 9,85 Meter breiten Querbahnsteig, der alle fünf Sonderbahnsteige miteinander verband. Der Zugverkehr wurde durch das Stellwerk Rbn (später Rsp, danach Ols) geregelt. Das Stellwerk befand sich am Ostende des Bahnsteiges D. Auf demselben Perron befand sich auch ein Aufenthaltsraum für das Stationspersonal. Zwischen den Bahnsteiggleisen lag noch ein Umfahrungsgleis für die Dampflokomotiven, somit konnten diese ihre angebrachten Wagenzüge umfahren und neu bespannen.

Bild: Bau der Station

Ausführung der Erdarbeiten für den Bahnhof Rennbahn zwischen km 1,2 und 1,5 (um 1908).
Repro aus: Zentralblatt der Bauverwaltung, Nr. 83 vom 15.10.1910

Der Querbahnsteig mündete via zwei 5 Meter breiten Freitreppen in die 3,7 Meter über Bahnsteigoberkante gelegene Straße 10 (heute Flatowallee). Zwölf Durchgänge sorgten für einen schnellen Durchlaß. Das Bahnhofsgebäude liegt auf Straßenniveau, Toiletten in Bahnsteighöhe komplettierten die Station. Auf dem Querbahnsteig selbst befand sich ein mit sechs Fahrkartenschaltern ausgestattetes Stationsgebäude, dessen Holzarchitektur im nordischen Stil ausgeführt wurde. Während das Holz braun lasiert war, erhielten die Ornamente bunte Farben.
Beim Bau des Bahnhofes wurden insgesamt 500.000 m³ Erdmassen bewegt und 25.000 m³ Beton verbaut. Die Materialzufuhr erfolgte durch einen Anschluß an die bestehende Bahnstrecke Charlottenburg - Spandau sowie durch ein extra gelegtes Schmalspur-Anschlußgleis vom Stößensee aus [1].

Bild: Bahnhofsansicht 1

Kopfbahnsteig des Bahnhofs Rennbahn mit den Sperren und der Empfangshalle (um 1909).
Repro aus: Zentralblatt der Bauverwaltung, 1910.

Am 23. Mai 1909 wurde der Bahnhof seiner Bestimmung übergeben, vorerst verkehrten hier jedoch nur Sonderzüge an den Renntagen. Das Osthavelländische Kreisblatt schrieb zur Eröffnung in seiner Ausgabe vom 25. Mai:

Am Sonntag wurde in Gegenwart des Kaisers und der Kaiserin, des Kronprinzenpaares und anderer Mitglieder des Königlichen Hauses die neue Bahn des Berliner Renn=Vereins im Grunewald ihrer Bestimmung übergeben. Eine vieltausendköpfige, festlich gekleidete Zuschauermenge füllte alle Plätze, das Wetter war warm, aber schön - und so schufen Sport, Natur und Eleganz gemeinsam ein Bild, wie man es in Berlin schon seit langer Zeit ersehnt, aber bisher noch nicht zu Gesicht bekommen hatte.

Nicht nur die neu hier stattfindenden Renntage machten die Sonderbahnsteige erforderlich, sondern auch die Zusage des Internationalen Olympischen Komitees, die Olympischen Spiele von 1916 in Berlin stattfinden zu lassen. Diese Spiele fielen wegen des Ersten Weltkrieges jedoch aus.
Der Bahnsteig F diente eine Zeitlang auch der Verladung von Pferden. Einer der Hintergründe war der, daß an Renntagen je ein Pferdesonderzug von Hoppegarten und Karlshorst die Tiere hierher transportierte. Abends wurden die Pferde auf gleichem Wege via der Stadtbahn zurückgebracht. Zu diesem Zwecke erhielt der Bahnsteig F eine Rampe zur Straße 18 (heutige Trakehner Allee).

Bild: Bahnhofsansicht 2

Bahnhof Rennbahn von der Straße 10 aus gesehen (um 1909).
Repro aus: Zentralblatt der Bauverwaltung, 1910.

Der Vorortbahnsteig A wurde am 5. September 1911 seiner Bestimmung übergeben, damit einher ging auch der Beginn des planmäßigen Zugverkehres. An seinem westlichen Ende (hinter der Brücke der heutigen Flatowallee) schloß sich eine 215 Meter lange Kehranlage an. Hier konnten bei kleineren Veranstaltungen zusätzlich verkehrende Züge wenden, ohne dabei gleich den kompletten Sonderbahnhof in Betrieb nehmen zu müssen.
Am 8. Juni 1913 eröffnete in unmittelbarer Nähe der U-Bahnhof Stadion (heute Olympia-Stadion).

Im Rahmen der Großen Elektrisierung erreichten die rotgelben Züge den Bahnhof erstmals am 23. August 1928. Zum 15. Mai 1930 erfolgte eine Umbenennung in "Stadion - Rennbahn Grunewald"; diese wurde am 1. März 1935 in "Reichssportfeld" geändert. Der Grund hierfür lag darin, daß drei Jahre nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten Deutschland bzw. Berlin wieder Ausrichter der Olympischen Spiele war. Für die zu erwartenden Fahrgastmassen wurde die Station umgestaltet und erweitert. Die alte Fahrkartenausgabe auf dem Querbahnsteig wich einer neuen offenen Halle. Vier neue Fahrkartenhäuschen mit jeweils zwei Verkaufsschaltern sorgten nun neu für die entsprechenden Umsätze. Im Ostteil der Station wurde die noch heute vorhandene Fußgängerbrücke neu gebaut, die alle sechs Bahnsteige miteinander und dem neuen Ausgang zur heutigen Trakehner Allee verband. In diesem Ausgang stellte die Deutsche Reichsbahn sechs neue Fahrkartenverkaufshäuschen auf.

Auch die Sicherungsanlagen wurden angepasst:

Bild: vor dem Bahnhof

Westausgang des Bahnhofs Reichssportfeld (1936).
Repro aus: Die Reichsbahn, 1936

Aufgrund der nun schneller erfolgenden Zugabfertigung konnte die Kapazität des Bahnhofes auf 48.000 Besucher pro Stunde erweitert werden. Um Spannungsabfälle bei der dichten Zugfolge zu vermeiden stellte die Reichsbahn ein fahrbares Umspannwerk mit zwei Gleichrichtern von je 1.200 kW auf.
Interessantes Detail am Rande: Zur Steuerung der Fahrgäste wurde die Bahnhofsanlage mit 9 Lautsprechern bestückt, die vom Verkehrsturm auf dem Bahnsteig D aus besprochen werden konnten. Der Chronist von [2] vermerkt hierzu:

Die Erfahrung zeigte, daß die Wahl des Sprechers und die Art der Mitteilungen für den erfolgreichen Einsatz eines Lautsprechers maßgebend sind. In dem unruhigen Gewühl und Gedränge eines Massenverkehres, oft nur durch unkundige Reisende verursacht, kann die ruhige und mitunter auch humorvolle Ansage des Sprechers Wunder wirken.

Zudem schlußfolgerte er:

Bei Bewältigung solcher Massenverkehre wäre es erwünscht, daß der örtliche Betriebsleiter den Verkehr auf den Anmarschwegen und den Bahnsteigen übersehen und sich unmittelbar mit dem Ansager verständigen kann.

Genauso wird es heute auch immer noch gemacht.

Über den Ablauf der Sonderverkehre zu den XI. Olympischen Spielen im Jahre 1936 lesen Sie bitte hier weiter.

Am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg. Aufgrund seines Verlaufes kehrte er bis 1945 zu seinem Ausgangsort zurück. Die Kampfhandlungen schnitten Berlin von jeglicher Versorgung ab, immer öfters kam es zu Stromausfällen und dem damit verbundenen Stillstand der S-Bahn. Spätestens ab dem 27. April fuhr auch auf dem Bahnhof Reichssportfeld kein Zug mehr: Nullspannung!
Erstmals nach dem Kriegsende fuhren die rot-gelben Züge wieder ab dem 9. Juni 1945 - gerade erst drei Tage zuvor hatte die Berliner S-Bahn ihren elektrischen Betrieb zwischen Wannsee und Schöneberg überhaupt wieder aufgenommen. In den nachfolgenden Monaten und Jahren normalisierte sich der Verkehr.

Der erste Reichsbahnerstreik von 1949 bescherte nicht nur diesem S-Bahnhof eine mehrwöchige Verkehrseinstellung. Zum 29. Mai 1960 benannte die Reichsbahn die Station erneut um: "Olympiastadion" heißt sie nun bis heute. Den nächsten Einschnitt erlebten Bahnhof und Strecke mit dem nach dem Mauerbau einsetzenden S-Bahnboykott. Die Fahrgastzahlen ließen rapide nach, die S-Bahn verfiel in eine Art Dämmerzustand. Der Bahnhof Olympiastadion sah nur noch selten große Sonderverkehre auf seinen Gleisen. Selbst zu den Fußballspielen von Hertha BSC nahm man lieber langwierige Anfahrten, übervolle Busse und ein stetiges um das Stadion herrschendes Verkehrschaos in Kauf, als mit der S-Bahn anzureisen. Einige der wenigen Veranstaltungen, bei denen die "Mutter aller S-Bahnen" in Westberlin nochmals zeigen konnte, was in ihr steckte, waren z. B. das Fußballspiel Deutschland - Brasilien am 16. Juni 1973 mit 85.000 Zuschauern [3], die Sonderverkehre zur Fußball-WM 1974 oder zu diversen Kirchentagen. Trotz des an anderen Spieltagen geringeren Fahrgastaufkommens behielt sich die S-Bahn stets die Durchführung eines Sonderverkehres vor.

Bild: Sonderverkehr 1979

In Anbetracht der Tatsache, das die Sonderverkehre nach 1974 keine größeren Ausmaße mehr annahmen, machen die Gleis- und Bahnsteiganlagen einen ordentlichen Eindruck.
Das im Führerstand vorhandene rotweiße Schild kennzeichnet die Umlaufnummer des Sonderzuges. Erst Mitte der 1990er Jahre entfiel diese Kennung (16. Mai 1979).

Dieser Gleisplan zeigt das Ausmaß der Anlagen mit dem Stand des Jahres 1977.

Mit dem Beginn des Zweiten Reichsbahnerstreikes im September 1980 wurde der Betrieb eingestellt und nach seinem Ende nicht wieder aufgenommen. Nun verfielen Bahnhof und Strecke vom Dämmerzustand in den Dornröschenschlaf. Die Natur holte sich ihr Terrain zurück, vandalismusbegabte Berliner zerstörten Teile von Gebäuden und Anlagen.
Nach der Übernahme der Betriebsrechte durch die BVG änderte sich am Status der Strecke vorerst nichts. Senat und BVG beließen es bei einer Absichtserklärung, die Strecke nach Spandau/Staaken wieder in Betrieb nehmen zu wollen. Erst der erste rot-grüne Senat gab nach seinem Wahlsieg 1989 einen geplanten Termin für eine Wiederinbetriebnahme heraus: 1994.

Elf Monate später machte der Fall der Berliner Mauer alle bisherigen Überlegungen obsolet. Durch die neue Freiheit konnten und mußten viele der Verkehrswege neu konzipiert und geplant werden. Aufgrund der sich aus anderen Projekten herauskristallisierenden Schwerpunkte musste u.a. die Wiederinbetriebnahme der Spandauer Vorortbahn weiter in Richtung der Jahrtausendwende verschoben werden. Vorrang hatte nun erst einmal die Sanierung der vorhandenen Strecken. So musste 1994/95 der Fernbahnabschnitt zwischen Eichkamp und Spandau via Ruhleben wegen einer Grundsanierung mit einhergehender Elektrifizierung gesperrt werden. Die Züge der Fernbahn wurden in diesem Zusammenhang über die Spandauer Vorortbahn geleitet. Beim Bau der Ersatztrasse riß man auch gleich den Vorortbahnsteig Olympiastadion ab. Nach dem Ende des Umleiterverkehres am 17. September 1995 kehrte vorerst wieder Ruhe ein. Das extra neu gelegte Fernbahngleis wurde, auch aufgrund seiner großzügigeren Verlegung, 1995/96 wieder abgerissen.

Bild: geschlossene Station

April 1992: seit Jahren verrottet eine Anlage, die für das im Hintergrund sichtbare Olympiastadion ein wahrer Segen wäre...

Die ersten Bauarbeiten zur Wiederinbetriebnahme fanden ab 1997 statt. Bei diesen Aktivitäten wurden nicht nur alle Sonderbahnsteige eingeebnet, auch alle weiteren Gleis- und Signalanlagen sowie diverse Bahnhofsbauten wie Aufsichtsgebäude usw. fielen der Spitzhacke zum Opfer. Die 1936 erbaute Fußgängerbrücke wurde in ihre Einzelteile zerlegt und grundlegend aufgearbeitet und später wieder aufgebaut.

Am 16. Januar 1998 war es dann soweit: der Bahnhof ging nach über 17 Jahren wieder in Betrieb. Vorerst wurden nur der Vorortbahnsteig A sowie der Sonderbahnsteig B ihrer Bestimmung übergeben. Die Signal- und Sicherungstechnik ward ebenfalls komplett überholt: das Ks-System regelt seitdem den Verkehr. Der zuständige Fahrdienstleiter befand sich anfangs im Elektronischen Stellwerk (ESTW) Olympiastadion, das sich in unmittelbarer Nähe zum ebenfalls neu erbauten Unterwerk am Nordostende des Bahnhofes befand.
Der Bedienplatz im ESTW Olympiastadion wurde im Februar 1999 in die S-Bahn-Betriebszentrale in Halensee umgeschaltet [4]. Die Eröffnung der restlichen Sonderbahnsteige C-E folgte am 29. Mai 1999. Für diese drei Sonderbahnsteige mit ihren sechs Bahnsteiggleisen wurden 2,1 Kilometer neue Gleise, knappe 10.000 t Schotter und 8 Weichen verlegt. Die Kosten für diesen Neubau, der eine stündliche Kapazität von 40.000 Fahrgästen erreichen kann, lag bei 13 Millionen DM [5]. Der ehemalige Sonderbahnsteig F wurde nicht wieder aufgebaut.

Pichelsberg Heerstraße

Autor:
Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
[1] Der neue Bahnhof Rennbahn im Grunewald bei Berlin; Zentralblatt der Bauverwaltung; Nr.83 vom 15. Oktober 1910
[2] Quelle: Die Reichsbahn im Dienst der XI. Olympischen Spiele Berlin 1936; Die Reichsbahn ; 1936
[3] Sonderverkehr zum Olympiastadion; Peter Bley/Dieter Gammrath; Berliner Verkehrsblätter; Heft 7/1973
[4] Kurzmeldung Berliner Verkehrsblätter, Heft 4/1999
[5] Kurzmeldung Berliner Verkehrsblätter, Heft 7/1999
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998

weiterführende Links:
Der Bahnhof bei Google Maps

Veröffentlichung:
22. Mai 2009


letzte Änderung des Textes: 22. Mai 2009

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