Bild: Charlottenburg


telegrafisches Kurzzeichen: BCHS, vormals Chb
eröffnet: 7. Februar 1882
elektrischer Betrieb seit: 11. Juni 1928
Station liegt auf der Stadtbahn

Westkreuz (Stadtbahn) Savignyplatz
Halensee  

Richtig groß sollte er werden, ganz geklappt hat es nicht: Sechs Bahnsteige waren ursprünglich geplant, vier sind es schließlich geworden. War anfangs nur der Bahnsteig D dem "Localverkehr" zugedacht, so wurde im Jahre 1896 der Bahnsteig C des Fernverkehres für den Vorortverkehr umgewidmet. Somit stehen - bis heute - zwei Bahnsteige dem Stadt- und Ringbahnverkehr und zwei dem Fernverkehr zur Verfügung.

Bild: Ansichtskarte von 1900

Ansicht des Empfangsgebäudes auf einer (gelaufenen) Postkarte aus dem Jahre 1900.
Sammlung Axel Mauruszat, mit freundlicher Genehmigung der Webseite Bahnhöfe auf alten Ansichtskarten.

Trotzdem war der Bahnhof bei der Eröffnung am 7. Februar 1882 der Größte aller Stadtbahnhöfe, obwohl die drei Fernbahnsteige erst drei Monate später, im Mai 1882, eröffnet wurden. Ein schlichtes Empfangsgebäude im Fachwerkbaustil bildete das Tor zu den Bahnsteigen. Im westlichen Bahnhofsbereich wurde das Bahnbetriebswerk (Bw) Charlottenburg erbaut, es ging ebenfalls 1882 in Betrieb. Ein 23-ständiger Rundschuppen sowie weitere Lokomotivbehandlungsanlagen (für Bekohlung, Wassernehmen und Ausschlacken) standen den zahlreichen Stadtbahnlokomotiven der Gattungen T2 und T4 zur Verfügung.

Ab Mai1909 verkehrten zusätzliche Sonderzüge von und zum Bahnhof Rennbahn (heute Olympiastadion). Spätestens nach der vollständigen Inbetriebnahme der Spandauer Vorortbahn im September 1911 kam die Station sehr schnell an ihr Limit: da es kaum möglich war, alle neuen Vorortzüge auf die Stadtbahn gen Schlesischen Bahnhof abzuleiten, pendelte ein Teil von ihnen zwischen Spandau und Charlottenburg. Diese Pendelzüge mußten zum Wenden immer recht umständlich über das sich westlich befindliche Bw Charlottenburg umgesetzt werden. Daher entschloß man sich, auch eine östliche Kehrmöglichkeit zu schaffen, für die 180.000 Mark an Baukosten veranschlagt wurden. [1]

Auf der Südseite des Bahnhofes kam im Jahre 1913 ein kleines Empfangsgebäude hinzu. Schnell wurde die Station von den Reisenden angenommen: Fuhren 1885/86 gerade einmal 337.138 Personen von hier ab, waren es knappe neun Jahre später (1894/95) schon 3.003.894 - und somit fast das Zehnfache. [2] Der Bahnhof entwickelte sich zu einem wichtigen Eisenbahndrehkreuz: von hier aus fuhren die Züge nicht nur in Richtung Grunewald/Potsdam und Zoologischer Garten/Schlesischer Bahnhof weiter, auch gingen zwei je zweigleisige Vorortstrecken zur Ringbahn ab. In südlicher Richtung fuhr man nach Halensee, in nördlicher zum Bahnhof Witzleben. Die verkehrliche Bedeutung dieser Nordringkurve ließ mit der Eröffnung des Bahnhofes Ausstellung am 10. Dezember 1928 von Jahr zu Jahr nach.

Im Vorfeld der Großen Elektrisierung von 1928 entschloß sich die Deutsche Reichsbahn Gesellschaft, den Bereich westlich des Bahnhofes komplett umzubauen. Die Gründe hierfür waren u.a.:

Die hier hinterlegten Grafiken verdeutlichen den Umfang der Baumaßnahmen. Somit wurden nicht nur die westlichen Bahnanlagen komplett umgestaltet, im Dezember 1928 eröffnete man auch den neuen Umsteigebahnhof Ausstellung.
Kurz bevor die ersten elektrischen Züge der späteren S-Bahn am 11. Juni 1928 das erste Mal an den Bahnsteigen C und D hielten, ging im westlichen Gleisvorfeld das 22 Meter lange Stellwerk "Chab" in Betrieb. Gleichzeitig nahm das neue Sv-Signalsystem der Bauart "Stadtbahn" östlich der Station seinen Betrieb auf. Westlich von Charlottenburg blieb es bis 1938 bei den herkömmlichen Formsignalen. Das Bw Charlottenburg verlor mit der Aufnahme des elektrischen Betriebes seine Bedeutung. Die Lokomotiven wurden an andere Bahnbetriebswerke abgegeben, das Bw kurz darauf geschlossen. Die umfangreichen Anlagen und Gebäude nutzte nun neu eine Bahnmeisterei.

Bild: Gleisplan Stand 1977

Der Plan zeigt die Gleisanlagen im Jahre 1977.
Einen größeren Gleisplan als PDF-Dokument finden Sie hier.

Mit der Rückkehr des Zweiten Weltkrieges an seinen Ausgangsort ereilten auch den Bahnhof diverse Zerstörungen. Nicht nur die Gleise und das Empfangsgebäude erlitten mehrere Treffer, die Anlagen der Bahnmeisterei im ehemaligen Bahnbetriebswerk Charlottenburg wurden ebenfalls schwer getroffen. Nach Kriegsende wurden die beschädigten Gebäude abgerissen, die Natur holte sich das Terrain zurück. Schwere Bombenangriffe im Jahre 1944 zerstörten die Nordringkurve so schwer, daß der Betrieb auf ihr eingestellt werden mußte. Eine Wiederinbetriebnahme ist bis heute - auch aufgrund der seit 1928 nachgelassenen Bedeutung - nie wieder ernsthaft in Erwägung gezogen worden.

Einen funktionierenden S-Bahnverkehr gab es bis zum April 1945, die Bombardements und die damit verbundenen Kriegsfolgen legten den Betrieb still. Erst im Juli fuhren die S-Bahnzüge wieder, wenn auch vorerst nur von und nach Westkreuz. Das Empfangsgebäude wurde durch die Kriegseinwirkungen stark in Mitleidenschaft gezogen, man baute es in den 1950er Jahren wieder vereinfacht auf.
Der Fernverkehr wurde im Mai 1952 eingestellt - nun hielten bis hier nur noch die Züge des Royal Transportation Office, kurz RTO. Diese britischen Miltärreisezüge verkehrten vom 17. Dezember 1945 bis zu ihrer Einstellung am 7. Februar 1991.
Die Südringkurve Charlottenburg - Halensee bekam zum Fahrplanwechsel im Dezember 1958 wieder planmäßigen Verkehr: die Zuggruppe "Gustav" fuhr von Mahlsdorf kommend via der Stadtbahn - Charlottenburg - Halensee bis zur Papestraße.

Bild: Blick auf Bahnhof

Blick aus dem Brückenstellwerk "Chab" auf die Bahnsteige und Gleisanlagen des Bahnhofes Charlottenburg (1970er Jahre).

Ende der 60er Jahren des letzten Jahrhunderts entschloß man sich, die angrenzende Wilmersdorfer Straße zu einer der ersten Fußgängerzonen Westberlins umzugestalten. Dabei wurde die Lewishamstraße neu erbaut, das alte Empfangsgebäude aus dem 19. Jahrhundert fiel der Spitzhacke zum Opfer. An seiner Stelle wurde ein neues Bahnhofsgebäude unter der Regie des Berliner Architekten Günter Hönow gebaut. Sein Neubau besteht aus dem eingeschossigem Empfangsgebäude und dem anschließenden dreigeschossigen Dienstgebäude. Die Empfangsseite ist Norden.
Die ursprüngliche Raumnutzung sah im Empfangsgebäude folgende Funktionsbereiche vor:

Im Dienstgebäude befanden sich Räume für die medizinische Versorgung des Bahnpersonals sowie in den beiden oberen Etagen weitere Verwaltungsräume. Während das nichtunterkellerte Empfangsgebäude ein Stahlbeton-Skelettbau ist, der mit rotbraunen Klinkern verblendet ist, wurde das Dienstgebäude komplett aus Ziegelsteinen gemauert. Zudem besitzt dieser Gebäudeteil auch einen Keller. [15] Das neue Bahnhofsgebäude wurde am 6. Juli 1971 eingeweiht.

Bild: Empfangsgebäude von 1971

Das von Prof. Günther Hönow entworfende Empfangsgebäude.
Rotbraune Klinker verblenden den Stahlskelettbau (1983).

"Keine Atempause, Geschichte wird gemacht, es geht voran!" - so sang die Neue-Deutsche-Welle-Band "Fehlfarben" zu Beginn der 1980er Jahre. So richtig wahr wurde es am 9. Januar 1984: Mit der Übertragung der Betriebsrechte der S-Bahn an die BVG wurde ein neues Kapitel in der Berliner S-Bahngeschichte geschrieben. Bereits am Vortag, am 8. Januar 1984, wurde von der Westberliner Bevölkerung der um 21:27 Uhr eintreffende Zug mit einer Kranzniederlegung offiziell verabschiedet. Der letzte Zug unter DR-Regie - diese Fahrt war übrigens nicht im Kursbuch verzeichnet - erreichte den Bahnhof um 2:53 Uhr [3]. Sieben Minuten später wurde das Kapitel "DR-S-Bahn in Westberlin" beendet.

3:00 Uhr: Die Betriebsführung der S-Bahn geht von der Deutschen Reichsbahn an die Berliner Verkehrs-Betriebe über - ein historischer Moment!
Eine Stunde später setzte sich hier im Bahnhof Charlottenburg auf Gleis 6 der erste Zug unter BVG-Regie in Richtung Friedrichstraße in Bewegung, mit an Bord: Senatsrat Dietrich Hinkefuß (Verhandlungsführer des Westberliner Senates), der U- und S-Bahn-Betriebsleiter Erich Kratky sowie Vertreter der großen Parteien von CDU und SPD [4].
Übrigens: ein Teil der vorangegangenen Verhandlungen zur Übernahme der Betriebsrechte fand im Kulturraum des Bahnhofes Charlottenburg statt [5].

Aufgrund des nach der Übernahme bestehenden Personalmangels wurde der S-Bahnhof bis zum 30. April 1984 vorläufige Endstation für die Züge der Stadtbahn, die BVG stellte den Personenverkehr auf dem Abschnitt Charlottenburg - Wannsee ein. Hier verkehrten vorerst nur noch betriebliche Fahrten von und zum S-Bahnbetriebswerk Wannsee. Erst mit Betriebsbeginn am 1. Mai 1984 nahm sie auf diesem Streckenabschnitt den Fahrgastverkehr wieder auf. Bereits im Vorfeld wurde Ende April 1984 der westliche Zugang für die Bahnsteige C und D zur Windscheidstraße wiedereröffnet.

Bild: Winter Dezember 1983

Blick vom Bahnsteig C zum Bahnsteig D.
Gut erkennbar die im Bereich des Aufsichtsgebäudes unterbrochene Dachkonstruktion (14. Dezember 1983).

In den späten 1980er Jahren wurde die westlich gelegene zweigleisige Kehranlage saniert und umgebaut, so daß ab 1988 hier wieder Vollzüge wenden konnten.
Neues Leben brachte der Fall der Berliner Mauer im Jahre 1989 mit sich. Die sich nun neu formierenden Fahrgastströme werteten - nicht nur - alle Bahnhöfe der Stadtbahn in ihrer Bedeutung auf. Die sich nun neu auftuenden Perspektiven in der Berliner Verkehrspolitik sorgten dafür, daß z.B. die Stadtbahn vom Berliner Hauptbahnhof bis Berlin Zoologischer Garten (ohne den Lehrter Stadtbahnhof) einer grundlegenden Sanierung ab Oktober 1994 unterzogen wurden. Wenige Monate zuvor, am 30. April 1993, ging das erste elektronische Stellwerk der Berliner S-Bahn in Betrieb; es ersetzte auf der westlichen Stadtbahn (Lehrter Stadtbahnhof - Charlottenburg - Westkreuz) das alte Sv-Signalsystem sowie vier Stellwerke, darunter auch das Stellwerk "Chab".

Erst nach der Jahrtausendwende sah man vor, den Stadtbahnabschnitt Berlin Zoologischer Garten - Westkreuz einer gründlichen Sanierung zu unterziehen. In deren Vorbereitung errichtete man im Sommer 2002 ein drittes Gleis zwischen den Bahnhöfen Charlottenburg und Westkreuz, das während der Bauarbeiten als zweites Streckengleis dienen sollte. [7] Dabei wurde das Charlottenburger Kehrgleis 349 (im Gleisplan von 1977 noch als Gleis 30 beschriftet) sowie das im Bahnhof Westkreuz östlich gelegene Kehrgleis 365 miteinander verbunden. Somit konnte ab dem 24. Februar 2003 dieses Gleis in Betrieb und die Sanierung vonstatten gehen.
Die Versorgung der Baustelle wurde über ein neu eingerichtetes Bauzentrum auf dem Gelände der ehemaligen Triebwagenhalle Hundekehle gewährleistet. [8] Der avisierte Übergabetermin vom 15. Dezember 2003 konnte aufgrund einer angeblich nicht vorhandenen Einigung über den Kaufpreis eines Grundstückes (als Ausgleich für die gefällten Bäume im Bereich des Bahnhofes Charlottenburg) nicht mehr gehalten werden, so daß der Termin auf den 14. April 2004 verschoben werden musste. [9]

Bild: Bauarbeiten im Bahnhof

Während die Züge noch am alten Bahnsteig C halten, ist der neue Bahnsteig D kurz vor seiner Vollendung (22. April 2005).

Die weiteren Baufortschritte im Überblick:

An den Bahnsteigen des Regionalverkehres hat sich nichts weiter getan, außer, das im Jahre 2008 zwei Aufzüge am östlichen Bahnsteigende sowie neue Zugzielanzeiger installiert wurden. Die beiden Bahnsteige inklusive ihrer Aufbauten versprühen auch heute noch den Charme von längst vergangenen Zeiten.

Westkreuz (Stadtbahn) Savingnyplatz
Halensee  

Autor:
Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
[1] Der neue Bahnhof Rennbahn im Grunewald bei Berlin; Zentralblatt der Bauverwaltung; Nr. 85 vom 22. Oktober 1910
[2] Berlin und seine Bauten; Teil 7; 1896
[3] Letzte Fahrt - 8.1.1984, Uwe Poppel und andere, Berliner Verkehrsblätter 2/1984
[4] Erste Fahrt - 9.1.1984, Jürgen Busse, Berliner Verkehrsblätter 2/1984
[5] Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn (Band 6); Manuel Jacob; Verlag Neddermeyer; 2004, Seite 95
[6] Kurzmeldung Berliner Verkehrsblätter, Heft 6/1984
[7] Kurzmeldung Berliner Verkehrsblätter, Heft 9/2002
[8] Kurzmeldung Berliner Verkehrsblätter, Heft 10/2002
[9] Kurzmeldung Berliner Verkehrsblätter, Heft 9/2003
[10] Kurzmeldung Berliner Verkehrsblätter, Heft 1/2004
[11] Kurzmeldung Berliner Verkehrsblätter, Heft 6/2004
[12] Kurzmeldung Berliner Verkehrsblätter, Heft 7/2005
[13] Kurzmeldung Berliner Verkehrsblätter, Heft 9/2005
[14] Kurzmeldung Berliner Verkehrsblätter, Heft 6/2006
[15] S-Bahnhof und Unterführung Berlin-Charlottenburg; Günter Hönow; Bauwelt 1975; Heft 16
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998
Die Bauwerke der Berliner S-Bahn: Die Stadtbahn; H. Schmidt, E.-M. Eilhardt; Verlag Volker Spiess GmbH, 1984
Berlin Stadtbahn; Alfred Gottwaldt/Stefan Handke; Marion Hildebrand Verlag; 1998

weiterführende Links:
Der Bahnhof bei Google Maps

Veröffentlichung:
10. Mai 2009


letzte Änderung des Textes: 10. Mai 2009

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