Bild: Marienfelde


telegrafisches Kurzzeichen: BMF, vormals Mf, auch MfS
eröffnet: 17. Juni 1875
elektrischer Betrieb seit: 15. Mai 1939
Station liegt an der Dresdener Bahn

Attilastraße Buckower Chaussee

Kleines Rätsel für Wissende: Welche Marienfelder Besonderheit ist älter?
Das Notaufnahmelager oder der Geschwindigkeitsweltrekord für Eisenbahnfahrzeuge?
Natürlich letzterer. Am 28. Oktober 1903 erreichte ein Triebwagen bei Schnellfahrversuchen auf der Militärbahn die Höchstgeschwindigkeit von 210 Stundenkilometern. Für diese Versuchsfahrten zwischen Marienfelde und Zossen baute die Firma Siemens & Halske den entsprechenden Dreiphasen-Drehstromtriebwagen.

Bild: Erinnerungsstele

Heute erinnert ein Denkmal an die im Jahre 1903 stattgefundenen Schnellfahrversuche.
Ungefähr an der Stelle, wo sich der Fotograf befindet, verliefen bis 1919 die Gleise der Militärbahn (10. Oktober 2007).

Der Bahnhof selber bestand zu diesem Zeitpunkt schon einige Jahre. Als Haltepunkt Marienfelde eröffnete die Station am 17. Juni 1875, die vom 15. Oktober 1875 bis 1919 auch noch Halt für die Militärbahn wurde. 1893 wurde der Haltepunkt zum Bahnhof erweitert. Nach einem dreijährigen Ausbau mit einem Mittelbahnsteig wurde der umgebaute Bahnhof am 15. März 1903 eröffnet. Ab diesem Zeitpunkt konnten die Reisenden die Station durch den auch heute noch vorhandenen Tunnel erreichen. So wie sich der Bahnhof vergrößerte, entwickelte sich auch die Umgebung: westlich der Station entstanden Landhäuser und Villen, östlich siedelten sich Industriebetriebe an. 1914 erhielt der Bahnsteig seine 87 Meter lange Überdachung.

Mit dem 15. Mai 1939 hielt der elektrische S-Bahnverkehr hier seinen Einzug. Zuvor musste noch für die neuen Züge der Bahnsteig um 30 Zentimeter angehoben werden. Die Spuren dieser Höherlegung waren bis weit in die 1990er Jahre sichtbar: die originalen Sockel der Bahnsteiggebäude verschwanden unter dem Kleinpflaster.

Bild: Wegübergang Großbeerenstraße

1979: Der Wegübergang Großbeerenstraße nach seiner Schließung im November 1979.
Übrigens: für die Reichsbahn war so eine Verkehrswegekreuzung schienenseitig ein Weg-, straßenseitig ein Bahnübergang.

Nach der Vergrößerung des Güterbahnhofes benannte man die Station am 1. August 1952 in Berlin-Marienfelde um. Heute heißt sie wieder Marienfelde. In den 1970er Jahren lagen für Westberlin von seitens des Senates sowie der Deutschen Reichsbahn (DR) Planungen vor, einen Südgüterbahnhof nahe dem S-Bahnhof Priesterweg zu errichten. Der daraus entstehende Mehrverkehr hätte auch den Bahnhof Marienfelde belastet. Die Schranken des sich nordöstlich des Bahnsteiges befindlichen Bahnüberganges Großbeerenstraße wären mehr unten als oben gewesen. Um das Verkehrschaos zu umgehen, plante der Westberliner Senat eine Unterführung unter den Gleisanlagen. Die DR stimmte dem Vorhaben unter der Bedingung zu, daß ihr der Senat auf seine Kosten ein neues Gleisbildstellwerk Mf am südöstlichen Bahnhofskopf errichtete. Man einigte sich: der eine bekam seine Eisenbahnunterführung für die Großbeerenstraße/Marienfelder Allee, der andere ein von der Firma SIEMENS errichtetes Stellwerk. Die Außensignale entsprachen der Einheitsbauform 1969 der Deutschen Bundesbahn, zeig(t)en aber jedoch Signalbegriffe der Deutschen Reichsbahn. Das Stellwerk ging am 1. November 1979 in Betrieb, die Unterführung dreizehn Tage später [1]. Gleichzeitig wurde der Bahnübergang Großbeerenstraße geschlossen.

Schon zwei Jahre zuvor, zum Jahreswechsel 1977/78 wurde in Lichtenrade das Stellwerk "Lrd" außer Betrieb genommen [2]. Somit bediente nun nur noch der Fahrdienstleiter auf dem Stellwerk "Mf" die Gemeinschaftsstrecke (S-Bahn/Fernbahn) zwischen dem Abzweig Mariendorf (am heutigen S-Bahnhof Attilastraße) und dem Bahnhof Marienfelde. In südlicher Richtung gab es nach den beiden Ausfahrsignalen 69 und 67 (abgesehen vom Einfahrsignal 86) keine weiteren Hauptsignale mehr - die Strecke von Marienfelde bis Lichtenrade war bis zum 28. August 1990 [3] eingleisig in Betrieb.

Bild: Dienstraum

6. Januar 1984: Blick auf den Bahnsteigzugang zum damaligen Dienstraum - eines ehemaligen Warteraumes - der Aufsicht.
Gut erkennbar der nicht sichtbare Sockel des Gebäudes. Drei Tage später befindet sich hier neu der Posten des S-Bahn-Fahrdienstleiters.

Mit Betriebsbeginn am 9. Januar 1984 gingen die die Betriebsrechte der S-Bahn in Westberlin an die BVG über. Und ab diesem Zeitpunkt gab es wieder ein berlintypisches Kuriosum: Bediente der Fahrdienstleiter (Fdl) auf dem Stellwerk "Mf" bis dato alleine die S-und Fernbahn, so unterstand er ab sofort einem Fahrdienstleiter der BVG (auch kleiner Fahrdienstleiter oder Berührungspunktfahrdienstleiter genannt). Jede Zugfahrt zwischen dem Abzweig Mariendorf und Lichtenrade bedurfte nun der Zustimmung des Fahrdienstleiters der BVG. Der große Fdl (übrigens ein Westberliner Reichsbahnangestellter) holte sich nun dazu über eine Fernsprechstandleitung die mündliche Zustimmung des kleinen Fdl ein. Erst dann bediente er Signale und Weichen entsprechend dem Laufweg. Für Rangierfahrten innerhalb des Bahnhofes Marienfelde bedurfte es im Normalfall keinerlei Absprachen.
Der kleine Fahrdienstleiter saß in der alten Fahrkartenausgabe (Fahrkarten gab es nun neu am Automaten) auf dem Bahnsteig; er übernahm die Fahrdienstleiter- und Aufsichtsfunktion. Stelltechnik stand ihm nicht zur Verfügung: ein Schreibtisch mit Zugmeldebuch und der OB - Fernsprecher mit Standleitung zum Stellwerk "Mf" und angeschlossener Dokumentationsanlage (ein verplompter Kassettenrecorder mit Autoreverse schnitt alle geführten Gespräche über einen Zeitraum von 90 Minuten mit) - mehr gab es nicht. Erst 1990 wurde dieses Kuriosum aufgegeben, der große Fahrdienstleiter arbeitete nun wieder eigenständig. Den kleinen Fahrdienstleiter gab es nun nicht mehr, die Personale auf dem Bahnsteig hatten ab sofort nur eine Aufsichtsfunktion.
Eine weitere Besonderheit wies der Bahnhof ab dem 2. Oktober 1984 auf: die BVG als Betreiber eröffnete hier ihren ersten P+R Parkplatz für die S-Bahn - insgesamt war es ihr sechzehnter [4].

Ende der 1990er Jahre sanierte der derzeitige Betreiber, die S-Bahn Berlin GmbH, die Bahnsteigaufbauten. Dabei wurden nicht nur die Gemäuer neu verklinkert, jetzt sind auch die (nicht originalen) Bodensockel wieder sichtbar.

Noch etwas vergessen? Na klar, das Notaufnahmelager wurde am 14. April 1953 eröffnet.

Attilastraße Buckower Chaussee

Autoren:
Detlef Hoge, Mike Straschewski

Quellen:
Bahnhofsbuch des Bahnhofes Marienfelde (Stand Ende der 1980er Jahre)
Zeitzeugenberichte
[1] Kurzmeldung; Berliner Verkehrsblätter; 11/1979
[2] Kurzmeldung; Berliner Verkehrsblätter; 3/1978
[3] Vom Blauen Bock zur S2; Friedrich Neubacher, Uwe Poppel, Wolfgang Kramer; Berliner Verkehrsblätter 10/1992
[4] Kurzmeldung; Berliner Verkehrsblätter; 11/1984

weitere Quellen und Buchtipps:
Die Bauwerke der Berliner S-Bahn: Die Vorortstrecke nach Zossen; H. Schmidt, J. Tomisch; Verlag Volker Spiess GmbH, 1985
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998

weiterführende Links:
Bahnstrecken im Süden Berlins
Notaufnahmelager Berlin-Marienfelde
Der Bahnhof bei Google Maps
Das Stellwerk "Mf" auf der Webseite S-Bahn-Fahrdienstleiter

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008


letzte Änderung des Textes: 28. Dezember 2008

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