Die Bestellung
Am 8. August 1924 erfolgte die offizielle Inbetriebnahme des elektrischen Verkehrs zwischen dem Stettiner Vorortbahnhof und Bernau mit den sechs vorhandenen Versuchszügen. Um kurzfristig einen rein elektrischen Betrieb auf der Strecke anbieten zu können, sah die Deutsche Reichsbahngesellschaft (DRG) es als erforderlich an, weitere Fahrzeuge zu bestellen.
Noch bevor eine Analyse über den Betrieb der Versuchzüge vorlag, bestellte sie 17 Einheiten. Diese wiesen die gleiche Bauform wie die Versuchszüge auf. Auf den Einbau von Jakobsdrehgestellen wie beim Versuchszug F wurde hierbei verzichtet.
Am Bau der Wagen waren die folgenden Firmen beteiligt:
Geliefert wurden alle Wagen im Jahre 1925. Mit 17 Fahrzeugen war die Bauart 1924 - die Zahl 1924 steht hier für das Entwicklungsjahr - die kleinste je gebaute Serienbaureihe der Berliner S-Bahn.
Als Leerzug geschildert steht ein Zug der BR 169 im Raw Schöneweide.
Das Fahrzeugkonzept
Wie auch die Versuchszüge bestanden diese Fahrzeuge aus zwei 20 Meter langen Triebwagen, denen drei kleine Beiwagen (je 9,8 m) zwischengekuppelt waren. Die kleinste Einheit war ein Halbzug (ca. 68 Meter), zwei Halbzüge konnten zu einem Vollzug gekuppelt werden. Bei ihrer Auslieferung besaßen die Triebwagen die Willisonkupplung, Ende der 1920er Jahre ersetzte die DRG diese gegen die Scharfenbergkupplung. Die Beiwagen waren untereinander kurz gekuppelt. Im Triebwagen war ein Traglasten- bzw. Dienstabteil untergebracht.
Die Klassen verteilten sich wie folgt:
Zugbildung bei der BR 169.
Die Einsätze der Züge
Die Züge wurden anfangs auf den Nordstrecken vom Stettiner Vorortbahnhof aus nach Bernau, Oranienburg bzw. Velten eingesetzt. Ab dem 27. Juli 1936 war dies nicht mehr möglich, da diese Züge nicht in den neu eröffneten Nordsüd-S-Bahntunnel fahren konnten. Die DRG beheimatete die Fahrzeuge zum S-Bahnbetriebswerk Papestraße um, wo sie überwiegend nur im Verstärkungsverkehr eingesetzt wurden. Vorrangig war dies auf dem Nordring und der Strecke nach Gartenfeld.
Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg
Auch diese Baureihe, ab den 1940er Jahren als Baureihe 169 bezeichnet, blieb von den Bombenangriffen des zweiten Weltkrieges nicht verschont. So wurden zahlreiche Züge wegen irreparabler Schäden ausgemustert bzw. als Kriegsverlust abgeschrieben. Anfang 1945 waren noch 12 Züge vorhanden, die aber schon seit längerer Zeit abgestellt standen. Erst mit Zunahme des Verkehrsaufkommens wurden ab 1951 acht dieser Halbzüge aufgearbeitet.
Das Einsatzgebiet war auch nach dem Krieg fast das gleiche. Die Fahrzeuge wurden auf der Strecke nach Gartenfeld eingesetzt, außerhalb der Hauptverkehrszeit (HVZ) von Jungfernheide und in der HVZ ab Warschauer Straße über den Nordring. Weitere bekannte Einsätze waren auf der Zuggruppe K zwischen Warschauer Straße und Blankenburg, auf der Strecke Zehlendorf - Düppel sowie vereinzelte Einsätze auf der Zuggruppe VI (Wannsee - Stahnsdorf).
S-Bahn Bauart "Bernau" BR ET/EB 169, Baujahr 1924, vor dem Umbau 1956 - hier ET 169 013b
Anpassung an die Baureihe 165 (Stadtbahner)
Eine grundlegende Überholung und Modernisierung der verbliebenen acht Halbzüge erfolgte in den Jahren 1956 bis 1958. Dabei wurden nicht nur die Wagenkästen der Triebwagen über dem vorderen Drehgestell verändert - sie erhielten das Aussehen der Baureihe 165. Auch die technischen Einrichtungen wurden entsprechend angepasst. Die Traglastenabteile erhielten Doppelschiebetüren, die sich nun auch über eine zentrale Türschließeinrichtung bedienen ließen. Die eckigen Oberwagenlaternen wurden gegen die üblichen runden getauscht. Das bisherige Wagendach aus Holz ersetzte die Reichsbahn durch ein Blechdach. Auch die Innenbeleuchtung wurde modernisiert: die Fahrzeuge erhielten die Opalglaslampen analog der BR 166 und 167.
Nach erfolgtem Umbau konnten die Züge mit allen Baureihen - außer der Baureihe 167 - im Zugverband verkehren.
Nach dem in den 1950er Jahren erfolgtem Umbau: ET 169 002b im Raw Schöneweide.
Die Außerdienststellung und der weitere Verbleib
Nach dem Bau der Berliner Mauer und dem darauf folgenden Boykottaufruf der S-Bahn in Westberlin waren diese Züge sehr schnell überzählig. Sie wurden 1962 abgestellt und ausgemustert.
Wegen des akuten Wagenmangels bei der Berliner U-Bahn auf der Linie E (heutige Linie U5) wurden auch Triebwagen der Baureihe 169 in U-Bahnwagen des Typs EIII umgebaut. Anders als bei der bereits umgebauten Baureihe 168 konnten hier nur die Triebwagen für den Umbau verwendet werden, da die Beiwagen eine abweichende Wagenlänge hatten. Die benötigten U-Bahn-Beiwagen wurden komplett neu gebaut.
Ein Teil der ausgemusterten Beiwagen mit ihren zwei Achsen wurden als Bahndienstwagen weiterverwendet, der größte Teil jedoch verschrottet bzw. verkauft.
Die Triebwagen ET 169 017a, ET 169 017b sowie die Beiwagen EB 169 006c und EB 169 017b wurden zum S-Bahn-Gerätezug umgebaut. Er wurde am 1. Juli 1965 dem Bw Friedrichsfelde zugeteilt. Bei der Umzeichnung 1970 erhielt dieser Zug die Nummern der Baureihe 278:
Nach seiner Ausmusterung wurde der Zug dem Verein Historische S-Bahn e.V. übergeben.
Der Verein Historische S-Bahn e.V. rettete den ET 169 005b vor dem Verschrotten.
Hier das Fahrzeug auf dem Gelände der ehemaligen Triebwagenhalle Hundekehle (11. Oktober 2003).
Autor:
Michael Dittrich
weiterführende Buchtipps:
Der elektrische Betrieb auf der Berliner S-Bahn (Band 1); Bernd Neddermeyer; Verlag Neddermeyer; 1999
Der Wagenpark der Berliner S-Bahn; Carl W. Schmiedeke; Lokrundschau Verlag Hamburg; 1997
letzte Änderung:
24. Januar 2009
Veröffentlichung:
26. Oktober 2008