Der elektrische Verbundbetrieb im Bahnhof Birkenwerder


Schon im Jahre 1965 wurde in Erwägung gezogen, den Bahnhof Birkenwerder aufgrund der gegebenen Umsteigebeziehungen am Bahnsteig zwischen der S-Bahn und der Fernbahn für den elektrischen Verbundbetrieb auszurüsten. Damals war an eine Fernbahnelektrifizierung im Berliner Raum noch nicht zu denken. Erst 18 Jahre später sollte der Fahrdraht den Bahnhof Birkenwerder erreichen.

Die Variante des elektrischen Wechselbetriebes wurde für den Bahnhof Birkenwerder als unzweckmäßig verworfen. Statt dessen führte die Deutsche Reichsbahn am 1. Oktober 1983 den elektrischen Verbundbetrieb ein. Diese Betriebsart zeichnet sich dadurch aus, dass das benutzte Gleis hierbei eine begrenzte Länge hat. Es wird unter Einhaltung bestimmter Bedingungen Fahr- und Rückleitungsseitig an das Wechselstrom- und an das Gleichstromsystem angeschlossen. Gleichzeitige und voneinander unabhängige Fahrten von Triebfahrzeugen beider Stromsysteme sind möglich.

Im alltäglichen Betrieb ist der elektrische Verbundbetrieb für den Fahrdienstleiter unkompliziert. Züge beider Traktionsarten können gleichzeitig auf dem gemeinsamen Netz fahren, solange es keine Fahrstraßenausschlüsse gibt. Für die Fahrstraßen der S-Bahn ist das Sicherungssystem so ausgelegt, das dort nur die Streckenanschläge abklappen, das Sicherungssystem der Fernbahn (PZB) bleibt in der Haltlage. Für Fahrstraßen der Fernbahn bleiben dagegen die Streckenanschläge der S-Bahn in Haltlage. Bei Teilfahrstraßen für beide Traktionsarten über die Gleise 4 oder 6 gehen beide Sicherungssysteme gemeinsam in die Fahrtstellung. Durchfahrten sind für die Fernbahn über die Gleise 4 und 6 sicherungstechnisch ausgeschlossen. Hier fährt der Lokführer stets auf "Halt erwarten" ein. Erst wenn die Fahrstraße der Einfahrt aufgelöst wurde kann die Fahrstraße der Ausfahrt festgelegt werden. Früher im Störungsfall mögliche Fahrten mit der Fernbahn über die S-Bahngleise nach Oranienburg sind seit dem Ausbau der Weiche 5 in Oranienburg nicht mehr möglich. Die hohen El-Signale und die im Kettenwerk der Oberleitung gelten in Birkenwerder für die Fernbahn, die niedrigen für die S-Bahn.

Für den Verbundbetrieb ist eine separate Einspeisung der Oberleitung in das 1 350 Meter lange gemeinsame Gleisnetz über einen Trenntrafo mit einem Übersetzungsverhältnis von 1:1 notwendig. Er ermöglicht die galvanische Trennung der Einspeisung vom übrigen Netz mit einer Leistung von 1 250 kVA und steht in der Schaltstelle Hohen Neuendorf. Ein weiterer Trafo dient als Reserve. Die Oberleitung der Schaltgruppe III wird durch Doppelstreckentrenner an den Ein- und Ausfahrten vom übrigen Netz getrennt. Unterhalb der Streckentrenner wird das Gleisnetz durch einen DZA (doppelter zweischieniger Abriegelstoß) nach Zeichnung DR-M 24-72.211 voneinander getrennt. Die Isolierstöße ergeben ein neutrales Zwischenstück mit einer Länge von 3 Metern. Deren zeitweises Überbrücken bei Überfahrten wird dabei in Kauf genommen.

Der Verbundbetrieb wird auf den Bahnsteiggleisen 4 und 6 und in den Kehrgleisen 14, 16 und 18 sowie deren Verbindungen durchgeführt. Auch das Wasserkrangleis 12 hat eine Oberleitung. Für den Bahnhof Birkenwerder gilt wegen der begrenzten Einspeiseleistung eine Oberstrombegrenzung von 200 A. Bei der Überfahrt in die und aus der Verbundgruppe muß der Triebfahrzeugführer den Hauptschalter ausschalten und mit Schwung fahren. Es besteht ein Heizverbot in der Verbundgruppe wegen der begrenzten Einspeiseleistung.

Bei Arbeiten an der Oberleitungsanlage sind die Besonderheiten des Verbundbetriebes zu beachten. So kann bei einer undurchdacht aufgehobenen galvanischen Trennung schon bei geringen ungefährlichen Spannungen Funkenerscheinungen mit Abschmelzwirkung entstehen, bedingt durch die hohen Stromstärken von bis zu mehreren hundert Ampere. Für die Stromversorgung der S-Bahn existieren keine Besonderheiten.


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Autor:
Mathias Kohla

letzte Änderung:
5. Februar 2012

Veröffentlichung:
3. Oktober 2011

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