Die Nordsüd-S-Bahn

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1933 fiel die Entscheidung für den Bau der Nordsüd-S-Bahn - das ehrgeizige Projekt zur Untertunnelung der Berliner Innenstadt. Der Bau dieser S-Bahnstrecke im 20. Jahrhundert war für Berlin ähnlich bedeutend wie die Anlage der Stadtbahn in den 70er und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts.

Wie kaum eine andere Eisenbahnstrecke wurde die Nordsüd-S-Bahn zum Beleg der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts:

Bild: Streckenschema

Streckenschema der Nordsüd-S-Bahn.
Repro aus: Die Reichsbahn 1936.

Die Bauarbeiten begannen am 4. Februar 1934. Am 28. Juli 1936 konnte das erste Teilstück zwischen den Bahnhöfen Humboldthain und Unter den Linden eröffnet werden, gerade rechtzeitig zu den Olympischen Spielen. Am 9. Oktober 1939 war der Tunnel zudem mit dem Abschnitt Potsdamer Platz - Anhalter Bahnhof - Großgörschenstraße (heute Yorckstraße S1) befahrbar - rund vier Wochen nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Das letzte Teilstück Anhalter Bahnhof - Yorckstraße (- Lichterfelde Ost/Mahlow) folgte am 5. November 1939. Wahrscheinlich in den Morgenstunden des 2. Mai 1945 sprengten deutsche Truppen die Tunneldecke unter dem Landwehrkanal. Die Wiederherstellung des überfluteten Tunnels gestaltete sich so aufwendig, daß er erst im November 1947 wieder voll befahrbar war.
Die politische Nachkriegsentwicklung in der Viersektorenstadt Berlin kulminierte zunächst im Bau der Mauer am 13. August 1961. Fortan war der Tunnel, der überwiegend Ostberliner Gebiet unterquerte, seiner eigentlichen Aufgabe beraubt. Die Nordsüd-S-Bahn wurde zur "Transitstrecke" - mitten durch Berlin!
Die politische Wende im Herbst 1989 vereinigte die beiden Teilnetze der Berliner S-Bahn und machte die Nordsüd-S-Bahn wieder zu dem, wofür sie einmal gebaut worden war: zur unbedingten Ergänzung von Stadt- und Ringbahn.

Bild: Kostenaufteilung

Diagramm der Kostenaufteilung.
Repro aus: Die Reichsbahn 1939.

Bild: Streckenschema

Aufteilung der Baukosten auf die einzelnen Bauabschnitte.
Repro aus: Die Reichsbahn 1939.

Die zweite Stadtbahn

Der Bau der Berliner Stadtbahn 1882 verbesserte die Verkehrsverbindungen in Ost-West-Richtung, doch ein Durchgangsverkehr von Nord nach Süd war weiterhin unmöglich. Viele Ideen für eine Nord-Süd-Verbindung wurden in den folgenden Jahrzehnten formuliert.

Der später realisierten Planung näherte sich ein Entwurf von 1903/04 für eine Verbindung von Stettiner Bahnhof und Potsdamer Wannseebahnhof. An einen Anschluß der Vorortstrecken von Lichterfelde Ost und Zossen oder aber des Südrings war hierbei jedoch nicht gedacht.
Im Gegensatz dazu sahen die Preisträger im Wettbewerb "Groß Berlin" von 1910 neben der Verbindung der nördlichen und südlichen Vorortstrecken - ähnlich der Stadtbahn - auch eine Verbindung der Fernbahnen vor. Nunmehr war der Gedanke einer Nord-Süd-Verbindung zu einem festen Bestandteil der Planungen für ein Berliner Schnellbahnnetz geworden.

Bild: Baustelle nahe Brandenburger Tor.

Baustelle Hermann-Göring-Straße. An dieser Stelle stürzte am 20. August 1935 um 12:13 Uhr die Baugrube ein und forderte unter den Bauarbeitern 19 Todesopfer. Grund des Einsturzes war eine mangelhafte Abstützung der Baugrube (Bild vom Dezember 1934).
Repro aus: Die Reichsbahn 1935.

Anfang der 30er Jahre nahm der Gedanke feste Gestalt an, die Berlin eigene Symmetrie der Verkehrsräume durch eine Symmetrie der Verkehrsverbindungen zu ergänzen. Die Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (DRG) war dabei bestrebt, den "Massenausgleich", wie er sich auf der Stadtbahn in Ost-West-Richtung vollzog, auch auf die Nord-Süd-Relation zu übertragen. Man prognostizierte, daß sich folgende Verkehrsbeziehungen herausbilden würden:

Nach der Elektrifizierung der Stadt-,Ring- und Vorortbahnen bis 1929 war im Grunde klar, daß als neue Verbindungsbahn nur eine elektrische S-Bahn in Frage kam, allein schon deshalb, damit die Fahrzeuge problemlos auf die verschiedenen Strecken übergehen konnten.
Zusätzlich zur eigentlichen Verbindungsbahn waren beiderseits des Bahnhofs Gesundbrunnen zwei weitere Stationen - Bornholmer Straße und Humboldthain - vorgesehen, die auf dem Stück, auf dem die drei nördlichen Vorortstrecken schon vereinigt auf den Stettiner Bahnhof zuliefen, den Zugang zur S-Bahn und die Erschließung der angrenzenden Wohngebiete verbessern sollten.

Bild: Baustelle am Landwehrkanal

Überblick über die Baustelle am Landwehrkanal.
Repro aus: Die Reichsbahn 1935.

Der Bauablauf im Überblick

Die Nordsüd-S-Bahn sollte wie alle bisherigen Untergrundbahnstrecken in der "Berliner Bauweise" hergestellt werden. Fünf Jahre dauerten die Bauarbeiten.

Anfang 1933 gab es in Deutschland 6 Millionen Arbeitslose, davon waren mittel- und unmittelbar 2 Millionen dem Baugewerbe zuzuordnen. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten und ihrem Anspruch auf Beseitigung der Arbeitslosigkeit rückte der Bau der Nordsüd-S-Bahn auf einen vorderen Platz in der Liste anzugehender Bauprojekte.
Auf der 56. Tagung des Verwaltungsrates der Deutschen Reichsbahn-Gesellschaft am 3. und 4. Juli 1933 in Berlin wurde ein erweitertes Arbeitsbeschaffungsprogramm verkündet. Darin waren zusammen für die Nordsüd-S-Bahn und den Rügendamm als erste Rate 126 Millionen Mark ausgewiesen. Der eigentliche Baubeginn war am 4. Februar 1934.

Bild: Bau S-Bahnhof Anhalter Bahnhof

Entstehung des Untergrundbahnhofes Anhalter Bahnhof. Im Hintergrund die Halle des Fernbahnhofes.
Repro aus: Die Reichsbahn 1936.

Bauorganisatorisch war die Strecke in drei Abschnitte gegliedert:

Im Oktober 1939 war das bedeutendste Eisenbahnbauvorhaben jener Zeit dann weitgehend abgeschlossen. Die Baukosten waren anfangs auf etwa 140 Millionen Mark geschätzt worden, einige Jahre später gab man 173 Millionen Mark an, abschließend beliefen sie sich auf 170 Millionen Mark. Die Kosten des Südabschnitts übertrafen die des Nordabschnitts um etwa 30 Prozent, hauptsächlich wegen des enormen Aufwands für die beiden Bahnhöfe; in der Kostenreihenfolge stand der S-Bahnhof Potsdamer Platz an erster Stelle, der Anhalter S-Bahnhof an fünfter.
Die Berliner Bauweise umfaßt folgende Schritte:


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Die Texte der vorliegenden Streckenbeschreibung sind stark gekürzte Passagen aus dem Buch des Autors Michael Braun:

Bild: Buchtitel

Nordsüd-S-Bahn Berlin - 75 Jahre Eisenbahn im Untergrund

Die Veröffentlichung des Textes erfolgt mit freundlicher Genehmigung von

Bild: Logo S-Bahn-Museum Bild: Logo Historische S-Bahn

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