Selbstgespräche


Im Jahr 1993 hatte die S-Bahn beschlossen, eine neue Serie der Baureihe 480 anzuschaffen - 40 Stück. Nun waren die "480er" ja keine Unbekannten. Mehr als 6 Jahre waren sie bis dato über Westberliner Gleise gefahren.
Doch die technische Entwicklung in der Fahrzeugherstellung war eben auch fortgeschritten. Also wollte und musste die Fahrzeugindustrie natürlich nach neustem technischen Stand und Wissen an die Produktion der neuen Serie gehen. Es entstand das Gleiche und doch nicht dasselbe. Und da die Industrie mit ihren Prüfmöglichkeiten eben nicht alle Situationen des praktischen Fahrbetriebs simulieren kann, haben uns die neugebauten 480er vor Ort noch so manche Nuß zu knacken gegeben.

Da führten die Züge zum Beispiel "Selbstgespräche". Sie zischelten, wenn man an ihnen vorbeiging. Eine Luftschwingung, die in der Bremsgeräteeinheit entstand, setzte sich nach außen fort. Anfrage an das Werk Wannsee, wo es ja schon mehrjährige Erfahrungen mit der 1. Bauserie gab: "Machen die das bei Euch auch?" Antwort der Kollegen von der BVG: "Ja, nachdem neue Software eingebaut wurde. Wir haben die alte wieder verwendet. Jetzt sind sie still."
Bei der neuen Serie konnten wir uns das nicht so leicht machen. Die neue Software sollte schließlich ein so sensibles System wie die Bremssteuergeräte stabilisieren. Also haben wir das Problem als Garantieanspruch geltend gemacht und solange mit den Kollegen aus der Industrie gemeinsam gemessen und erprobt, bis wir die Züge "zum Schweigen" gebracht hatten.

Bild: Bremsgerätekasten

Der sprechende Bremsgerätekasten.

Oder ein anderes Beispiel:
Als die neuen Züge in Erkner stationiert waren und ans Netz gingen, lösten sie mehrfach eine extreme Überspannung aus. Alle im Umkreis stehenden Neubaufahrzeuge der gleichen Baureihe gaben den Geist auf. Unsere Anfrage in Wannsee ergab, bei ihnen passiert das nicht. Erklärung: In ihren Fahrzeugen steckten andere Thyristoren, bessere. Da auch Fahrzeughersteller dem Wettbewerb unterliegen, haben sie in der zweiten Serie weniger stabile eingebaut, die es bei bestimmten Betriebszuständen dann regelmäßig entschärft hat. Mit zusätzlichen Spulen wurde auch dieses Problem gelöst. Hightech hat halt ihren Preis. Vieles wurde mit ihrer Hilfe stabiler und sicherer. Aber um Leute von A nach B zu bringen, unterhalten sich z.B. heutzutage in einem Viertelzug der neuen Baureihe 481 inzwischen 15 Rechner miteinander. Das will beherrscht sein.


Die Prototypen Die Serienfahrzeuge Die Rückfahrt von Hamburg nach Berlin

Autor:
Peter Glanck

Danksagung:
Mit freundlicher Genehmigung der S-Bahn Berlin GmbH entnommen aus:
Parade der Stars, 7. und 8. August 1999, S-Bahnhof Olympiastadion

letzte Änderung:
26. Oktober 2008

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008

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