Die Prototypen der Baureihe 270


Die Serienfahrzeuge Die Duo-S-Bahn

Die Deutsche Reichsbahn (DR) entwickelte Ende der 1950er Jahre den neuen Triebzug ET 170, dessen Musterzug 1956 in Dienst gestellt wurde. Seine Achsfolge war Bo'2'Bo', seine Höchstgeschwindigkeit betrug 90 km/h. U.a. aufgrund des erhöhten Bestandes von Fahrzeugen der Baureihen (BR) 165, 166 und 167 nach dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 wurde eine Weiterentwicklung nicht mehr weiterverfolgt.

Ende der 1970er Jahre begann die DR wieder mit der Entwicklung und Erprobung einer neuen Fahrzeuggeneration. Bedingt durch das hohe Alter der teilweise seit 1927 im Einsatz stehenden Fahrzeuge sowie die Errichtung der Neubauwohngebiete Marzahn und Hohenschönhausen sah man sich gezwungen, einen neuen Fahrzeugtyp zu entwickeln. Er bekam die Baureihenbezeichnung 270. Insgesamt wurden zu den vier Viertelzügen des Musterzuges 166 weitere Fahrzeuge gebaut und in Dienst gestellt.

Planung und Entwicklung

Die DR und das Kombinat VEB Lokomotivbau - Elektrotechnische Werke (LEW) Hennigsdorf begannen Ende der 1960er Jahre mit Versuchen einer neuen Antriebstechnik. Diese Gleichstromstellertechnik wurde ab 1969 in dem Viertelzug 165 121 erprobt. 1974 wurde ein zweiter Versuchszug in Betrieb gestellt, der aus den kurzgekuppelten (also ohne Beiwagen) Triebwagen 275 657 und 731 bestand. Die Versuchsfahrten verliefen sehr erfolgreich, so dass die DR 1978 dem LEW den Auftrag erteilte, einen Baumusterzug zu bauen.

Anlehnend an die Altbaufahrzeuge bestand die kleinste Funktionseinheit aus einen Elektrischen Triebwagen (ET) und einem elektrischen Beiwagen (EB). Die kleinste somit fahrfähige Betriebseinheit war damit wieder der Halbzug (ET+EB+EB+ET).

Bild: 270 003 in Karlshorst

270 001 in Höhe der Kehrgleise des Bahnhofes Grünau auf seinem Weg nach Königs Wusterhausen.
Erprobungslokführer M.N. freut sich über den fotografierenden Kollegen (1983).

Einige Neuerungen des Zuges:

Für die äußere Formgebung und dem Innenausbau zeichnete sich die Hochschule für industrielle Formgestaltung verantwortlich. Bei der Gestaltung des Führerstandes und der Anordnung der Überwachungs- und Bedienelemente wurde der damalige Verkehrsmedizinische Dienst der DR sowie Beauftragte des Fahrpersonals mit zu Rate herangezogen.

Bild: Messarbeiten

Bei den umfangreichen Testfahrten wurde die Messelektronik im Dienstabteil untergebracht.
Die Mitarbeiter des LEW Hennigsdorf rüsten ihre Technik für die nächsten Tests um (8. September 1987).

Bei den acht Einstiegstüren und den damit verbundenen Einstiegsräumen lehnte man sich weiterhin an der Konzeption der Altfahrzeuge/beschreibung 275 und 277 an, da sich diese Konzeption als die günstigste Lösung für einen optimalen Fahrgastfluss erwies. Neu waren jedoch die Außenschiebetüren. Durch sie entfielen die für Innenschiebetüren benötigten Türtaschen, man konnte jetzt die Fenster größer gestalten.

Nachdem im Oktober 1979 der erste Viertelzug 270 001/002 erfolgreich die Tests im Prüffeld des LEW Hennigsdorf absolvierte, fanden erste Probefahrten ab Februar 1980 auf der damals noch mit Gleichstrom elektrifizierten Strecke Hennigsdorf - Velten statt. Als Kuriosum dürfen die ersten Versuchsfahrten gelten: da kein weiterer Viertelzug vorhanden war, fanden diese Testfahrten nur mit 270 001/002 statt. In der Rückwartsfahrt (270 002 an der Spitze) stand ein Betriebseisenbahner in der ersten Tür und nahm die Streckenbeobachtung vor. Die Verständigung erfolgte über Funk, im Gefahrenfalle stand ihm noch die Notbremse im Türbereich zur Verfügung. Nachdem 270 003/004 seine Abnahme bestand, fanden die weiteren Testfahrten mit diesem Halbzug statt.

Bild: Biesdorf 1987

Biesdorf: Bei einer Solidaritätssonderfahrt am 15. August 1987 kommt auch der Prototyp der BR 270 im Umlauf Siegfried 2 zum Einsatz.

Am 30. Mai 1980 wurde der erste Halbzug 270 001-004 in das S-Bahnbetriebswerk Grünau überführt, wo er für Messfahrten vorgesehen war. Der zweite Halbzug 270 005-008 folgte am 31. Juli 1980. In seinem Erprobungsprogramm war gegenüber dem ersten Halbzug der Schwerpunkt im Fahrgastbetrieb vorgesehen. Vorerst jedoch, ab August 1980, absolvierten beide Züge außerhalb der Hauptverkehrszeiten auf der Streckenrelation Grünau - Friedrichstraße - Erkner ihre Testfahrten. Ab dem 9. September verkehrte 270 005-008 im Fahrgastbetrieb, nachdem die ersten 10.000 Kilometer erfolgreich verlaufen waren.
Dieser Probebetrieb endete im Mai 1981.

Danach wurde 270 001-004 im damaligen Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) Schöneweide einer Probezerlegung unterzogen, währenddessen ab September 1981 der zweite Halbzug weitere Testfahrten, diesmal ohne Fahrgäste, unternahm. Ziel dieser Fahrten war es auch, die Laufleistung des Zuges auf 100.000 Kilometer zu steigern, um die Funktionstüchtigkeit des Zuges nachzuweisen und die erforderlichen Instandhaltungsfristen zu ermitteln.

In den Fahrgastbetrieb ging es als Vollzug erstmalig am 5. September 1983 auf der Streckenrelation Königs Wusterhausen - Friedrichstraße - Erkner. Fiel aufgrund von technischen Schäden ein Viertelzug aus, setzte man die restlichen Wagen auf der nur mit Dreiviertelzügen verkehrenden Zuggruppe Otto (Spindlersfeld - Blankenburg) ein.

Bild: 270 005 abgestellt

270 005 steht abgestellt und beschmiert in der Kehranlage Schöneweide (2. Juli 1990).

Die erste Hauptuntersuchung fand im Herbst des Jahres 1985 statt. Da es noch keine Ersatzteile gab, wurde 270 007+008 im August 1986 als Spender herangezogen. Er verblieb im RAW Schöneweide abgestellt bis zu seiner Verschrottung 1992. Die verbliebenen Viertelzüge wurden ab Mai 1987 wieder im Fahrgastverkehr eingesetzt.

Im Juni 1989 endete der Fahrbetrieb mit den Prototypen, da ihre Einsatzfrist aufgrund einer fälligen Bremsrevision abgelaufen war. Eine weitere Aufarbeitung der gerade erst zehn Jahre alten Züge wurde aufgrund der hohen Kosten abgelehnt. Die gerade begonnene Serienfertigung erfolgte mit teilweise geänderten Bauteilen, deren Einbau in die Prototypen nur unter erhöhten Kostenaufwand realisierbar gewesen wäre. Sie wurden erst im S-Bw Grünau, dann in der Abstellanlage Schöneweide und zum Schluss im S-Bahnhof Spindlersfeld abgestellt.

Die offizielle Ausmusterung für 270 001 - 008 erfolgte am 26. Oktober 1990. 270 003 - 008 wurden durch eine Privatfirma auf dem RAW-Gelände verschrottet, währenddessen 270 001+002 durch den Verein Historische S-Bahn e.V. erworben und vorerst bei LEW Hennigsdorf abgestellt wurde. Seit einigen Jahren steht der Viertelzug auf dem Gelände der Hauptwerkstatt Schöneweide.


Viertelzugnummer Indienststellung Gesamtlaufleistung Ausmusterung
270 001/002 12. Juni 1980 317.883 km 26. Oktober 1990
270 003/004 12. Juni 1980 349.256 km 26. Oktober 1990
270 005/006 8. September 1980 447.635 km 26. Oktober 1990
270 007/008 8. September 1980 220.357 km 26. Oktober 1990

Derzeitig ist für den 270 001/2 nur eine Restaurierung angedacht. Eine fahrfähige Aufarbeitung ist dabei aufgrund der großen Unterschiede zu den Serienfahrzeugen nicht vorgesehen.

Titelbild der Fachzeitschrift "Schienenfahrzeuge" - Juli 1980

Archivkarte der Fachzeitschrift "Schienenfahrzeuge" - März 1981

Werbung des LEW Hennigsdorf in der Fachzeitschrift "Schienenfahrzeuge"


Die Serienfahrzeuge Die Duo-S-Bahn

Autor:
Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
Der Wagenpark der Berliner S-Bahn; Carl W. Schmiedeke; Lokrundschau Verlag Hamburg; 1997
Beschreibung und Bedienanweisung für die S-Bahn Berlin BR 270
Berliner Verkehrsblätter: Die Entwicklung der S-Bahn-Baureihe 270; Jürgen Busse; Heft 5/94
Berliner Verkehrsblätter: Neuer Triebzug Baureihe 270 für die Berliner S-Bahn; Bernd Neddermeyer; Heft 1/80
Schienenfahrzeuge: Der neue Triebzug BR 270 für die S-Bahn Berlin; Bogott/Fechner; Heft 5/1979
Verkehrsgeschichtliche Blätter: Der Baumusterzug der BR 270 der Berliner S-Bahn; Hans-Joachim Hütter, Heft 1/93

letzte Änderung:
9. März 2014

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008

nach oben