Bild: Albrechtshof


telegrafisches Kurzzeichen: vormals As, heute BAS (nur Fernbahn)
eröffnet: 1. April 1943
elektrischer Betrieb seit: 14. August 1951
für den S-Bahnverkehr stillgelegt: 9. Oktober 1961
Bahnhof endgültig geschlossen: 23. Mai 1993
Wiedereröffnung (nur Regionalbahn): 28. Mai 1995
Station liegt an der Hamburger Bahn

Falkensee Spandau West

Schon die Nationalsozialisten planten zwischen Spandau und Falkensee einen S-Bahnhaltepunkt. Im Rahmen der Umgestaltung Berlins zur Welthauptstadt Germania war eine Verlängerung der S-Bahn von Spandau West bis nach Nauen vorgesehen. Doch bis auf einige vorbereitende Bauarbeiten passierte bis Anfang der 1940er Jahre nicht viel. In einem im benachbarten Falkensee für die Deutsche Reichsbahn vorgesehenen Werkkomplex stellte die Demag (Deutsche Maschinenbau-Aktiengesellschaft) Panzer und andere Rüstungsgüter her. Um die dazu benötigten Arbeiter heranfahren zu können, errichtete die Reichsbahn zwei einfache Seitenbahnsteige. Erstmals fuhr man die Station mit dampfbetriebenen Vorortzügen am 1. April 1943 an. Doch schon zwei Jahre später wurde der Verkehr kriegsbedingt am 24. April 1945 eingestellt. Wenige Monate später, im August, nahm man den dampfbetriebenen Zugbetrieb wieder auf. Zu diesem Zeitpunkt fehlte wahrscheinlich schon das südlich gelegene zweite Streckengleis und war als Reparationsleistung auf dem Weg nach Osten.

1951 schließlich baute die Reichsbahn am verbliebenen Gleis die Stromschiene an, im Bahnsteigbereich wurde ein zweites Gleis errichtet. Offiziell fuhr die S-Bahn nun erstmals am 14. August, auch wenn sie zu jenem Zeitpunkt schon seit 16 Tagen in den Fahrplanaushängen verkündet war. Nun also hatte Albrechtshof seine rot-gelben Züge und sie hatten sogar fünf Minuten Standzeit. Denn der Bahnhof fungierte auch als Kontrollbahnhof, hier überprüfte der DDR-Zoll die Reisenden, um das Einreisen von Westberlinern in die DDR zu verhindern und den Warenschmuggel zu unterbinden. Wegen letzteren erhielt die Station, wie auch viele andere Kontrollbahnhöfe, den Spitznamen "Eierbahnhof". Vom 18. Mai 1953 bis zum 4. Mai 1958 verkehrten ab Albrechtshof werktags mehrere Züge als Durchläuferzüge. Von Albrechtshof bis zur Friedrichstraße (und umgekehrt) konnte man nun nonstop fahren und kam so nicht in Versuchung, in den Westsektoren beim Klassenfeind auszusteigen.

Bild: abfahrbereiter Zug Richtung Nauen

Personenzug 11234 nach Birkenwerder hat gerade seine Abfahrtszeit erreicht (22. Juli 1989).

Mit dem Bau der Berliner Mauer am 13. August 1961 entfielen die Kontrollaufenthalte; Albrechtshof war nun zur Endstation geworden. Die Schienenverbindung nach Spandau bestand weiterhin, die Stromschiene hatte man noch in der besagten Nacht im Grenzbereich abgesenkt und später abgebaut. Und so pendelte nun der einzige verbliebene S-Bahnzug zwischen hier und Falkensee im Zwanzigminutentakt hin und her. Bis zum 9. Oktober - dann wurde der Zug in eines der Ostberliner S-Bahnbetriebswerke abgefahren. Den Personenverkehr übernahmen nun wieder die dampfbetriebenen Vorortzüge von und nach Nauen. Die Schienenverbindung nach Spandau wurde nach einer Flucht mit einem Zug am 6. Dezember 1961 endgültig unterbrochen. Nach zehn Jahren war somit die ganze S-Bahn-Herrlichkeit vorbei, die Staatsgrenze der DDR war in ca. 400 Meter Entfernung für die nächsten 28 Jahre fest zementiert. Seit dem 28. September 1983 ist der Bahnhof mit Wechselstrom (15 kV, 16 2/3 Hz) elektrifiziert.

Im Herbst 1989 fiel die Mauer. Wegen der Bauarbeiten zum Ausbau der Hamburger Bahn für den Hochgeschwindigkeitsverkehr wurde Albrechtshof am 23. Mai 1993 geschlossen und zwei Jahre später etwa 200 Meter weiter westlich wieder mit zwei Seitenbahnsteigen neu eröffnet. Da die Strecke zwischen dem Bahnhof und der Grenze nicht komplett in den Jahren der Teilung beräumt worden war, vermeldeten die Berliner Verkehrsblätter in ihren Kurzmeldungen im Heft 11/1993:

Auf dem zur Zeit stillgelegten Bahnhof Albrechtshof hat sich interessanterweise über mehrere Jahrzehnte im Gleis Richtung Nauen vom Prellbock her ein etwa 100 m langer Abschnitt mit Holzschwellen erhalten, die die Löcher für die Befestigung der Stromschiene (1951-1961) erkennen lassen. Mit der Aufnahme von Bauarbeiten dort dürfte wohl auch dieses Relikt aus der S-Bahn-Zeit verschwinden.

Recht hatten sie. Heute erinnert nichts mehr an die alte S-Bahn-Vergangenheit, hier halten nur noch Regionalbahnen. Ob hier jedoch die S-Bahn jemals wieder fahren wird?

Falkensee Spandau West

Autor:
Mike Straschewski

Quellen und weiterführende Buchtipps:
Berlins S-Bahnhöfe; Jürgen Meyer-Kronthaler/Wolfgang Kramer, be.bra Verlag, 1998

Lesetipps:
Kapitel: Flucht in die Freiheit; in Züge durch Mauer und Stacheldraht; Bernd Kuhlmann; Verlag GVE; 1998, ab Seite 16 ff
DDR-Flucht unter Volldampf; Tagesspiegel vom 5. Dezember 2011

weiterführende Links:
Der Bahnhof bei Google Maps

Veröffentlichung:
18. November 2012


letzte Änderung des Textes: 18. November 2012

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