Umbau der letzten Sv-Signale im Nordsüd-S-Bahntunnel


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Nach knapp 78 Jahren das Ende einer technischen Ära: standen Anfang 2005 noch Sv-Signale zwischen Nordbahnhof (einschließlich) und Yorckstraße (teilweise) und Yorckstraße/Großgörschenstraße (ausschließlich), so änderte sich das binnen Jahresfrist: Am 13. März 2006 wurden im S-Bahnhof Nordbahnhof die letzten Sv-Signale bei der Berliner S-Bahn abgeschaltet, gleichzeitig wurde auch das elektromechanische Stellwerk "Nob" außer Betrieb gesetzt.

Bild: Signal 123 Bild: Signal 233
Vor der Sanierung des Tunnels 1991/92 zeigten die
Selbstblocksignale den Haltbegriff Sv 0 (gelb-gelb).
Auf den Signalschirmen in einheitlicher Größe konnten alle Signalbegriffe einschließlich des Rangiersignals Ra 12 angezeigt werden.

Der Umbau der Signalanlage im Nordsüd-S-Bahntunnel

Der aufwendige Umbau war nicht nur deshalb erforderlich, weil die alten Anlagen nicht mehr dem Stand der Technik entsprachen. Wegen des bis Potsdamer Platz parallel verlaufenden Fernbahntunnels musste mit störenden Einflüssen des Fahrstroms auf die elektrischen Schaltungen der Signalanlagen gerechnet werden. Außerdem wurden jetzt auch Signale für Fahrten in die Gegenrichtung aufgestellt. Somit ist jetzt auch hier die flexible Nutzung beider Gleise für jede Fahrtrichtung möglich. Ein neues Weichentrapez ermöglicht nun am Bahnhof Oranienburger Straße die Überleitung der Züge.

Im ersten Bauabschnitt wurde der alte Automatikblock AB 37 zwischen Nordbahnhof und Potsdamer Platz (jeweils ausschließlich dieser Stationen) am Abend des 25. Februar 2005 außer Betrieb genommen. Im Bahnhof Friedrichstraße wurde eine Relaisblockstelle eingerichtet, die den gesamten Streckenabschnitt zwischen diesen Stationen ein Mal unterteilt.

Bild: Signal 243

Signal 243 in Potsdamer Platz, Gleis 1, war bis 1992 für den geplanten Abzweig nach Hafenplatz mit einem Richtungsanzeiger ausgestattet.

Der nächste Bauabschnitt begann im Juli 2005 mit der Außerbetriebnahme der Alttechnik zwischen Potsdamer Platz und Yorckstraße/Großgörschenstraße und einer entsprechenden Erweiterung des Relaisblocks. Gleichzeitig ging das elektromechanische Stellwerk Anhalter Bahnhof - sowie wenig später auch das in Potsdamer Platz - außer Betrieb, damit diese Bereiche auf die neue Sicherungstechnik umgestellt werden konnten. Die Inbetriebnahme der ESTW-Technik für diesen Bereich war am 27. November 2005, nachdem zwei Tage zuvor die vorübergehend eingebaute Hl-Signaltechnik gegen 22:00 Uhr abgeschaltet wurde.

Wissenswertes über die Sv-Signale

Die Bezeichnung "Sv" steht für "Signalverbindung" - die korrekte Bezeichnung gemäß dem Signalbuch lautet "Haupt- und Vorsignalverbindung" - und bedeutet, dass das Hauptsignal für den nächsten und das Vorsignal für den übernächsten Blockabschnitt in einem Signalbild vereinigt sind. Die ersten Signalverbindungen wurden Anfang 1928 im Rahmen der "Großen" Stadtbahnelektrifizierung zwischen dem heutigen Ostbahnhof und Charlottenburg in Betrieb genommen. Damals waren das die ersten Lichtsignale bei der Reichsbahn außerhalb von Versuchsanlagen.

Bild: Gleissperrsignal V5

Bis zur Tunnelsanierung 1991/92 waren die Kehranlagen mit Gleissperrsignalen ausgestattet.
Bei einem Auftrag zur Rangierfahrt erlosch das Signal Gsp 0 und das Signal Ra 12 erschien.

Bild: Rangiersignale Potsdamer Platz

Von 1992 bis 2005 waren die Kehranlagen in Potsdamer Platz und Nordbahnhof mit Wartezeichen (Ra 11a) ausgestattet.

Die Signalschirme sind fünfeckig und trugen anfangs drei Lampenpaare untereinander (für jedes darzustellende Signalbild ein Lampenpaar). Die Steuerung erfolgte selbsttätig durch den fahrenden Zug, indem dessen Achsen einen in den Fahrschienen fließenden Strom kurz schlossen. Weil es keine Blockwärter mehr gab, die bei Signalstörungen Fahrtbefehle hätten erteilen können, musste man andere Wege finden, um die Züge in diesen Fällen vorwärts zu bringen. So entstand neben dem bisher üblichen absoluten Haltbegriff (Rotes Licht) ein permissiver Haltbegriff (2 gelbe Lichter nebeneinander) mit der Bedeutung "Halt! Weiterfahrt nur mit besonderer Vorsicht!" Dieses Signal wurde nur auf denjenigen Gleisabschnitten gezeigt, wo keine Gefahrenstellen vorhanden waren. Es erlaubte dem Triebwagenpersonal, nach dem Anhalten auf eigene Verantwortung weiter zu fahren. Dabei musste es sein Verhalten so einrichten, dass der Zug vor einem etwa im Gleis befindlichen Hindernis mit Sicherheit gestoppt werden konnte. Weil die Bedeutung dieses Signalbildes seit Anfang der 1970er Jahre durch das weiß-schwarz-weiß-schwarz-weiße Mastschild wahrgenommen wird, sind diese Signale bei der Tunnelsanierung 1991/92 auf das Signalbild Hp 0 (rot) umgestellt worden. Sv 0 (gelb-gelb) wurde zum Schluß nur noch südlich des Anhalter Bahnhofs gezeigt.

In den folgenden Jahren wurden die Sv-Signale auf folgenden Streckenabschnitten installiert: Jungfernheide - Gartenfeld (1929), Stettiner Vorortbahnhof - Gesundbrunnen und Ostbahnhof - Ostkreuz (um 1931).

Die Sv-Signale im Nordsüd-S-Bahntunnel

Im Rahmen des Baus des Nordsüd-S-Bahntunnels wurden 1934/35 die Bahnhöfe Humboldthain und Bornholmer Straße neu errichtet und die Sv-Signale bis nach Schönholz und Pankow ausgeweitet. Jetzt kam verbesserte Technik zum Einsatz. So genannte Blendenrelais waren in der Lage, zwei verschiedene Farben anzuzeigen. Dadurch verringerte sich die Zahl der Laternen bei der regulären Signalausführung von sechs auf zwei. Entsprechend kleiner wurden die Signalschirme. Entsprechend ihrem späteren Einsatzgebiet wurden diese Signale später als Bauart Ringbahn bezeichnet.

Bild: Signal 126 Bild: Signal 247
Die seit Kriegsende nicht mehr benutzten Nachrücksignale verrotteten bis zur Tunnelsanierung an ihren Standorten, wie hier Unter den Linden. Nach der Betriebsübernahme durch die BVG wurde das Stellwerk Potsdamer Platz stillgelegt; das rote Mastschild am Zwischensignal 247 durch ein
weiß-schwarz-weiß-schwarz-weißes Mastschild überdeckt.

Im Nordsüd-S-Bahntunnel kam wegen der beengten Platzverhältnisse eine Sonderbauart der Relaissignale zum Einbau. Die Signalschirme sind im Vergleich zur Bauart Ringbahn noch kleiner. Auf die Schuten über den Laternen konnte man verzichten, weil es keine Blendungen durch Sonnenlicht geben kann. Während es bei den Signalbauarten Stadtbahn und Ringbahn je nach Bedarf unterschiedliche Baugrößen gab, kommt die Tunnelbauart mit einer Abmessung aus. Das heißt, egal ob ein Bremspfeil, zusätzliche Optiken für Langsamfahrt oder Rangier- bzw. Ersatzsignal benötigt wurden, die Hauptabmessungen des Signalschirms sind immer dieselben.

Hier finden Sie ein Streckenband mit den Standorten der Sv-Signale in den Jahren 1936/39 sowie 1956

Je nach Streckenverlauf und Sichtverhältnissen befinden sich die Signale rechts oder links über dem Gleis. Für die Blockschränke sind Nischen in der Tunnelwand vorgesehen. Aufgrund der relativ kurzen Bahnhofsabstände und der geringen Fahrgeschwindigkeit waren die Signalabstände kürzer als auf anderen Streckenabschnitten der Innenstadt. Sie betrugen etwa 250 Meter. Um die Haltezeiten auf den Bahnhöfen auszugleichen, waren die Signalabstände vor den Bahnhöfen besonders gering. Weil die Signale hier dichter standen, als der Bremsweg bei normaler Fahrgeschwindigkeit, musste der Triebfahrzeugführer bei einem Halt zeigenden Signal schon vor Erreichen des zurück liegenden Signals zu bremsen beginnen. Dies wurde ihm durch einen so genannten Bremspfeil angezeigt, der bei den Signalbegriffen Sv 2 und Sv 6 zwischen den Lichtern aufleuchtete. Die kürzesten Abstände gab es vor Nordbahnhof (aus Richtung Humboldthain) mit 85 Meter und Potsdamer Platz (aus Richtung Unter den Linden) mit 89 Meter.

Bild: Signal 803

Auch das Signal 803 (vor Anhalter Bahnhof) war bis in die BVG-Zeiten vorhanden.
Das mit weißer Farbe aufgemalte Ungültigkeitskreuz ist noch schwach zu erkennen.

Die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs wirkten sich auf die Signalanlage nicht so stark aus. Während auf anderen Strecken nach 1945 beinahe jedes zweite Signal nicht wieder in Betrieb genommen wurde, verzichtete man im Nordsüd-S-Bahntunnel lediglich auf das jeweils letzte Signal vor den Bahnsteigen. Die meisten dieser Signale verblieben ungenutzt an Ort und Stelle, bis sie erst im Zuge der Tunnelsanierung 1991/92 entfernt worden sind.


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Autoren:
Manuel Jacob, nachträgliche Einbesserungen (Zeitdaten) durch Mike Straschewski

Quellen:
Kurzmeldungen Berliner Verkehrsblätter Hefte 1 und 5/2006

Danksagung:
Die Broschüre über die selbsttätige Signalanlage der Berliner Nordsüd-S-Bahn (PDF-Dokument) wurde uns freundlicherweise vom SIEMENS-Archiv Berlin zur Verfügung gestellt.

letzte Änderung:
26. Oktober 2008

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008

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