Umstrukturierungen bei der Berliner S-Bahn


Auch die Deutsche Reichsbahn legte 1938 ihre Pläne im Zusammenhang mit der Umgestaltung der Reichshauptstadt vor. Ich möchte die Umbaumaßnahmen für den Fernbahnbereich nur kurz behandeln und intensiver auf die Planungen für den S-Bahnbetrieb eingehen. (Eine sehr ausführliche Arbeit zum Thema "Fernverkehr" kann im Buch "Eisenbahn-Größenwahn in Berlin" von Bernd Kuhlmann nachgelesen werden - siehe Signatur).
Besonders herausragend für die Eisenbahnplanung im Zusammenhang mit der Planung des Generalbauinspektors (GBI) Albert Speer ist die Anordnung der beiden großen Personenbahnhöfe. Beide Personenbahnhöfe lagen an der Nord-Süd-Straßenachse, welche die Stadt durchzog.

Achsenkreuz

Die Neuordnung Berlins: Das Achsenkreuz gebildet durch die Ost-West-Straßenachse und Nord-Süd-Straßenachse.
Die Innenstadt wird von vier Straßenringen umgeben. Beide Süd- und Nordbahnhöfe lagen an der Nord-Süd-Achse.

Ein neuer Nordbahnhof zwischen den heutigen Bahnhöfen Westhafen und Wedding am Nordring hätte die Aufgaben der bisherigen Bahnhöfe Stettiner Bahnhof, Lehrter Bahnhof sowie die Stadtbahnhöfe von Charlottenburg bis Schlesischer Bahnhof (heute: Ostbahnhof) übernommen. Die Züge aus Hannover, Hamburg, Stralsund, Stettin und Küstrin hätten diesen Nordbahnhof erreicht. Durch die Führung aller Fernbahnlinien auf dem Ring zum Nord- oder Südbahnhof wäre die Stadtbahn nicht mehr von Fernzügen befahren und damit das Stadtzentrum zusätzlich entlastet worden. Der Entfall der Kopfbahnhöfe im Innern der Stadt brachte neben der Entlastung von Verkehr einen Großteil des für die Achsenplanung in Beschlag genommenen künftigen Baulandes.

Ansicht Südbahnhof 1

Da der Südbahnhof zuerst gebaut werden sollte, gibt es von diesem Bahnhof schon sehr detaillierte Pläne.
Diese Zeichnung wurde uns freundlicher Weise aus der Sammlung von Arne Keilmann bereitgestellt.

Der neue Südbahnhof (gelegen zwischen den beiden Ringbahnhöfen Südkreuz (ehemals Papestraße) und Tempelhof, direkt in der Nord-Süd-Achse) hätte die Bahnhöfe am Potsdamer Platz, den Anhalter Bahnhof und Görlitzer Bahnhof für den Fernverkehr ersetzt. Die Strecken aus Magdeburg, Halle, Dessau, Dresden, Leipzig, Görlitz, Breslau und Frankfurt/Oder wären in diesen Südbahnhof eingeführt worden. Die beiden Personenbahnhöfe haben in den Planungen 20 bis 30 Gleise, in den Entwürfen der letzten Jahre (1943) ist auch die Breitspur (3-Meter Spurweite) zur Umsiedlung der "Germanen" in die Ostgebiete berücksichtigt. Die letzten Planungen sahen für den Südbahnhof eine Hallenhöhe von 68 Metern vor. Eine ursprünglich von der Reichsbahn geplante Höhe von 105 Metern wurde verworfen. Die Halle sollte eine Breite von 70 Meter und eine Länge von 400 Meter besitzen.

Am Standort des Südbahnhofes befindet sich noch heute die ehemalige Betriebswerkstatt Papestraße der S-Bahn, die einen Ersatzbau zwischen den Bahnhöfen Tempelhof und Hermannstraße (an der Oderstraße) erhalten hat, der aber nie in Betrieb genommen wurde.

Ansicht Südbahnhof 2

Blick in die Halle des Südbahnhofes.
Diese Zeichnung wurde uns freundlicher Weise aus der Sammlung von Arne Keilmann bereitgestellt.

Als Westbahnhof und Ostbahnhof werden die beiden Abstellanlagen Grunewald und Rummelsburg bezeichnet. In Grunewald (Westbahnhof) sollten die Züge aus dem Osten behandelt werden, in Rummelsburg (Ostbahnhof) die Züge aus Richtung Westen.
Die zahlreichen kleinen Güterbahnhöfe sollten von zwei großen Verschiebebahnhöfen bedient werden. Hierfür wurden die Standorte Großbeeren (heute auch Container-Umschlagbahnhof der Bahn) und Wuhlheide ausgesucht.

Um die neuen Bahnhöfe an das bestehende Netz anzuschließen, bedurfte es neuer Verbindungen. So die Verbindung von Rehbrücke an der Wetzlarer Bahn über Stahnsdorf - Lichterfelde Süd für die von Dessau verkehrenden Züge zum Südbahnhof. Hier sind bereits erste Arbeiten an der Trassierung begonnen worden. Eine zweite Verbindung lief von Köpenick über Köllnische Heide auf den Südring für die aus Breslau eintreffenden Züge.
Für die von Görlitz kommenden Züge sollte eine Abzweigung von Baumschulenweg in die Trasse an der Köllnischen Heide vorbei auf den Südring erfolgen. Auch hier kann man heute noch die vorbereitenden Maßnahmen für die breite Trasse beider Strecken am Bahnhof Köllnische Heide gut erkennen. In dieser Form wären die gesamten Gleisanlagen und Bahnhofsbauten zwischen Tempelhof (neu: Südbahnhof) und Neukölln umgestaltet worden.

geplantes Netz 1939

Geplantes Streckennetz der Berliner S-Bahn, Stand 1939

Die Umgestaltung der Reichshauptstadt hätte für die Berliner S-Bahn nicht gar so einschneidende Folgen gehabt, wie es bei der Berliner Hoch- und Untergrundbahn der Fall gewesen wäre.

Zuggruppe 1 Verlauf von Wannsee bis Schöneberg unverändert (heutige Linie S1). Ab Bahnhof Kolonnenstraße folgt ein Zusammentreffen mit der Zuggruppe A (Ringbahn, heute S41 und S42). Hinter der Kolonnenstraße sollte die viergleisige Strecke in den Untergrund abtauchen und zum neuen Bahnhof Hornstraße (unter der Nord-Süd-Achse gelegen) führen. Im Bahnhof Hornstraße wäre ein Umsteigen zu den Zuggruppen 2 und 3 möglich gewesen, die den neuen Süd- und Nordbahnhof anfahren. Die Zuggruppe 1 sollte nun aus der Nord-Süd-Achse ausschwenken und in die bereits berücksichtigte Tunnelabzweig des bestehenden Nord-Süd-Tunnels einschwenken. Die bisherigen (und heutigen) Tunnelausfahrten an den Yorckstraßen wären stillgelegt worden. Weiter über die heutige Strecke des Nord-Süd-Tunnel Anhalter Bahnhof - Potsdamer Platz - Friedrichstraße - Stettiner Bahnhof (heute: Nordbahnhof) - Gesundbrunnen - Bornholmer Straße und weiter jeweils nach Bernau oder Oranienburg verzweigend.

Zuggruppe 2 Sie sollte von Süden her aus Ludwigsfelde über Lichterfelde Süd und -Ost bis zum Priesterweg unverändert geführt werden, dahinter in Tunnellage unter die Nord-Süd-Achse schwenkend einen Halt unter dem Südbahnhof erhalten. Weiter nördlich unter dem Straßenzug der Nord-Süd-Achse lag der Bahnhof Hornstraße, in dem die Zuggruppe 2 mit der von der Wannseebahn kommenden Zuggruppe 1 zusammenkam. Die Zuggruppe 2 sollte den Verlauf der Zuggruppe 1 wieder verlassen und westlich des Anhalter Bahnhofes am U-Bhf. Gleisdreieck vorbei direkt in den Bahnhof Potsdamer Platz, in die einst für die Ringbahnzüge vorgefertigte Tunneleinfahrt, einfahren. Entlang der heutigen Aufstellanlage nördlich des Bahnhofes Potsdamer Platz (sogenannter "Heuboden") unter der Ebertstraße (damals Hermann-Göring Straße) wäre die Zuggruppe 2 weiter nach Norden unter der Nord-Süd-Achse, östlich an der Versammlungshalle ("Halle des Volkes") vorbei mit Halt unter der Stadtbahn (Bahnhof "Stadtkreuz") mit Umsteigemöglichkeit am heutigen Berliner Hauptbahnhof zur Stadtbahn weiter zum neuen Nordbahnhof gelangt.

Abstellanlage Potsdamer Platz 1

Blick in die Abstellanlage vom Bahnhof Potsdamer Platz aus.

Abstellanlage Potsdamer Platz 2

Das Ende der Aufstellanlage Potsdamer Platz über den Streckengleisen:
hier ist eine Verlängerung der mittleren Gleise nach Norden möglich.

Nach dem Nordbahnhof sahen die jüngsten Pläne eine Weiterführung der Züge nach Wittenau auf die Kremmener Bahn vor. Hier ist als Endbahnhof für die Berliner S-Bahn Velten notiert.

Zuggruppe 3 Die Züge dieser Zuggruppe kommen von der Dresdener Bahn aus Wünsdorf über Zossen, Rangsdorf, Mahlow, Marienfelde nach Priesterweg. Zwischen Mellensee und Wünsdorf war eine eigene Trasse für die S-Bahnzüge vorgesehen. Ab Priesterweg nimmt die Zuggruppe 3 den Weg im Tunnel wie die Zuggruppe 2 über Südbahnhof, Hornstraße, Potsdamer Platz zum neuen Nordbahnhof. Dort zweigt die Zuggruppe 3 auf den Nordring zur Jungfernheide, Siemensstadt-Fürstenbrunn nach Spandau. Hier wird die Zuggruppe geflügelt über Falkensee - Finkenkrug - Brieselang nach Nauen sowie über Staaken - Dallgow nach Wustermark.

Zuggruppe A Unter dieser Zuggruppe sind die Ringbahnzüge zu verstehen. Sie sollten am Kreuz Schöneberg auf die Wannseebahn geführt werden, wo an der Kolonnenstraße ein viergleisige Umsteigebahnhof bestand. Als viergleisige Tunnelanlage wären die Züge der Zuggruppe 1 und A in den sechsgleisigen unterirdischen Bahnhof Hornstraße (+ zwei Gleise der U-Bahn) geführt worden. Die Züge würden durch den heutigen Nord-Süd-Bahntunnel zum Stettiner Bahnhof geführt worden.

Zuggruppenplanung

Ausschnitt der Innenstadt mit der Zuggruppenplanung.
Die Bahnhöfe sind in telegrafischer Abkürzung genannt: Wk= Westkreuz, Ok= Ostkreuz, Sg= Schöneberg, Gs= Gesundbrunnen,
Gzb= Görlitzer Bahnhof, Ahu= Anhalter Bahnhof, Pou= Potsdamer Platz -unten-, Stu= Stettiner Bahnhof -unten-

Zuggruppe G Diese Zuggruppe beginnt im Osten, verläuft von Strausberg der heutigen S5 entsprechend über Hoppegarten (mit besonderen Rennbahn-Sonderbahnsteig (stumpf), Birkenstein, Mahlsdorf, Ostkreuz, Stadtbahn bis Charlottenburg und wird hier auf den Südring geführt.

Zuggruppe K Die Zuggruppe sollte in Königs Wusterhausen beginnen und bis zum Plänterwald in der heutigen Führung der Linie S46 folgen. Noch vor dem Bahnhof Treptower Park war ein Kreuzungsbauwerk geplant, um u.a. die Zuggruppe K zum Görlitzer Bahnhof auszuführen. Hier sollte die S-Bahnstrecke in einen Tunnel geführt werden und unter der Skalitzer Straße - Moritzplatz (Umsteigebahnhof zur U-Bahn) - Lindenstraße zum S-Bhf. Anhalter Bahnhof geführt werden. Hier ist bereits ein Tunnel zur Aufnahme der Strecke ausgeführt worden. Die Züge wären weiter im Verlauf der Wannseebahn geführt worden.

Zuggruppe M Diese Zuggruppe führt vom Bahnhof Wannsee über die Friedhofsbahn nach Stahnsdorf. Hier ist eine Erweiterung über Kleinmachnow-Süd nach Teltow vorgesehen. Die Verbindung würde am heutigen S-Bahnhof Teltow an die Strecke nach Lichterfelde Süd (Zuggruppe 2) anknüpfen und bis Lichterfelde Ost auf einer eigenen Trasse verkehren.

Die übrigen Zuggruppen (B, H, J, L) bleiben von den Germaniaplanungen unberührt. Die Stadtbahn steht nun mit vier Gleisen der S-Bahn zur Verfügung. Die Betriebswerkstatt Papestraße am Bahnhof Tempelhof muss dem neuen Südbahnhof weichen und wird an die Oderstraße (östlich des Flugfeldes Tempelhof) versetzt. Der Bau der neuen Halle begann noch vor Kriegsende.


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Autor:
Markus Jurziczek

Quellen:
Verkehrstechnik Heft 3/1938, Heft 8/1938, Heft 12/1938
Abschrift Scheidling Plan
Karten und Aufzeichnungen aus dem Nachlass Wolfgang von Linstow

weiterführende Quellen, Buchtipps und Links:
Eisenbahn-Größenwahn in Berlin; Bernd Kuhlmann, Verlag GVE, 2005
Netzplan zum Buch Eisenbahn - Größenwahn in Berlin; DBV, 2005
Architekturgeschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

letzte Änderung:
26. Oktober 2008

Veröffentlichung:
26. Oktober 2008

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