Die Berliner S-Bahn nach 1945


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Die nachfolgende Erzählung haben wir schon einmal auf unserer Vorgänger-Webseite S-Bahn80.de im Jahre 2004 veröffentlicht:

Als im Jahre 1945 Berlin - die Hauptstadt des Großdeutschen Reiches - in Schutt und Asche lag, stand auch die gesamte Reichsbahn vor einem Trümmerhaufen. Ein Großteil der Gleise, der Züge und der Bahnhöfe waren im Stadtgebiet zerstört. Vom Stettiner Bahnhof bis zum Anhalter Bahnhof standen die Bahnhöfe der Nordsüd-S-Bahn bis zur Decke unter Wasser.

In den letzten Tagen des Monats April 1945 wurden S-Bahn Züge, die als Lazarettzüge umgebaut waren, in diesen Bahnhöfen geparkt, um die verwundeten Soldaten vor den Bombenangriffen und dem Geschützfeuer der vorrückenden Roten Armee zu schützen. Auch viele Frauen und Kinder suchten Schutz auf den unterirdischen Bahnhöfen. Die Führung der deutschen Wehrmacht hatte den unvorstellbaren grausamen Entschluss gefasst, die Tunneldecke der S-Bahn nahe dem Bahnhof Friedrichstraße, der unter der Spree entlang lief, zu sprengen, um die eventuell in dem Tunnel vorrückenden Soldaten der Roten Armee zu stoppen. Innerhalb von ein paar Stunden standen nicht nur die Bahnhöfe der S-Bahn unter Wasser, sondern auch der U-Bahn Tunnel bis zur Französischen Straße und darüber hinaus über Stadtmitte bis zur Kochstraße. Auf den Bahnhöfen spielten sich unvorstellbare Szenen ab. Die Leute, die vor den Wassermassen nach oben fliehen wollten, stießen mit jenen Leuten zusammen, die von oben kamen und unterirdisch Schutz vor Bomben und Granatfeuer suchen wollten.

Als man Mitte des Jahres 1946 begann, die Tunnel auszupumpen, bot sich für die Bergungsmannschaften ein Bild des Grauens. Leichen, die im Wasser schwammen mussten geborgen werden; ebenso die toten Landser aus den Zügen. Ich selbst habe gesehen, wie die Innenausstattungen der Züge in einem fürchterlichen Zustand waren. Auch diese Zugpaare wurden sukzessive repariert und wieder zum Einsatz gebracht. Die S-Bahn begann wieder stündlich zu verkehren. Die Züge aus Richtung Bernau, Oranienburg und Velten endeten im notdürftig wiederhergestellten Stettiner Fernbahnhof und zwar als Dampfzüge. Viele erhaltene S-Bahn Züge wurden von den Sowjets konfisziert und auf den Weg als Reparationen gen UdSSR gebracht. Von Lokführern wurde später berichtet, dass viele Züge schon in Polen von den Bahndämmen gekippt worden sind und dort vergammelten.

Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, wann die S-Bahn wieder fahrplanmäßig verkehrte, die Russen hatten auf fast allen Strecken der S-Bahnen das zweite Gleis abgebaut und man fuhr nur eingleisig hin und her. Als im Juni 1948 die Sowjets alle Verbindungen nach Berlin sperrten, war die Westberliner Bevölkerung von der Außenwelt abgeschnitten. Bei den Westalliierten reifte unter der Federführung von General Lucius D. Clay der Entschluss, den Westteil der Stadt über eine Luftbrücke zu unterhalten. Der militärische Übungsplatz im Stadtteil Reinickendorf wurde in nur wenigen Monaten Bauzeit mit einem riesigen Aufwand Tag und Nacht zu einem Landeplatz für die kommenden Rosinenbomber ausgebaut. Hierzu benötigten die Bautrupps Geröll für das Fundament der Lande- und Rollbahnen und man benutzte dafür den Schotter der S-Bahn Trassen. Es gab riesigen Ärger, weil auch im Westteil der Stadt die Bahnhöfe und die Trasse unter sowjetischer Verwaltung standen.

Als der Flugplatz Tegel fertiggestellt war, landete in Berlin auf allen drei Flughäfen alle 1½ Minuten ein Rosinenbomber und die Berliner Bevölkerung trotzte dank der mutigen, alliierten Unterstützung der sowjetischen Blockade. Nach vielen Einschränkungen und Entbehrungen endete die Blockade endlich am 12. Mai 1949. Der Westteil der Stadt hatte trotz Verlockungen des Ostens, seine Freiheit erhalten!

Nachdem nach der Bundesrepublik der zweite deutsche Staat auf deutschem Boden entstand, nannte man ihn "Deutsche Demokratische Republik" und der Ostteil der Stadt Berlin wurde die Hauptstadt der DDR. Man begann die S- und U-Bahn Linien zu spalten und richtete auf den Grenzbahnhöfen der DDR Kontrollen ein, um den Fluchtweg der Bürger der DDR auf diese Weise zu kontrollieren bzw. zu stoppen. Wer mehr als eine Aktentasche bei sich trug, musste den Zug verlassen und wurde gefilzt.

Auf der Nordsüd-S-Bahn wurden die Bahnhöfe Oranienburger Straße, Unter den Linden und Potsdamer Platz stillgelegt und von den Grenzorganen der DDR Tag und Nacht bewacht. Der Bahnhof Friedrichstraße wurde bis zur Wende 1989 als Übergangsstelle für Reisen in den Ostsektor der Stadt eingerichtet.

Heute sehen wir die neuesten und modernsten Züge auf neuem Unterbau verkehren und freuen uns auf die weitere Entwicklung des Schienenverkehrs, der mich als Berliner trotz meiner Abwesenheit seit mehr als 50 Jahren immer noch mit Interesse verfolgt.


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Autor:
Alfred Klein, Herford

letzte Änderung:
7. Dezember 2012

Veröffentlichung:
7. Dezember 2012

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